Das ganze Leben als Gottesdienst

In diesem Beitrag geht es nicht um die Uhrzeit des evangelischen Gottesdienstes. Wenn wir über Zeit und Gottesdienst nachdenken, ist das ein sehr weites und interessantes Feld. Es beginnt schon bei der Frage, was eigentlich Gottesdienst ist. Der Apostel Paulus schreibt in Römer 12,1: „Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.“

Er unterscheidet also offenbar zwischen dem Gottesdienst als „kultischen Handlung“ und dem „Leben als Gottesdienst“. Nehmen wir das deutsche Wort Gottesdienst einmal auseinander und sprechen vom Dienst für Gott. Dann wird klarer, worum es geht. In diesem Sinn soll unser ganzes Leben im Dienst für Gott stehen. Dabei geht es nicht nur um fromme, spirituelle Handlungen im Alltag wie zum Beispiel Beten, in der Bibel lesen oder ein christliches Lied singen. Erst recht geht es nicht nur um den Gottesdienst am Sonntagmorgen in der Kirche.

Auch Nächstenliebe im weitesten Sinn ist Dienst für Gott. Dienst am Nächsten ist Gottesdienst. Weiten wir das etwas aus. Wenn wir uns um unsere Familie kümmern, für die alten Eltern sorgen, unsere Kinder liebevoll erziehen, dann ist das Gottesdienst. Wenn wir unsere Arbeit gewissenhaft tun, gut mit Kollegen zusammenarbeiten oder uns ehrenamtlich engagieren. Dann ist das Gottesdienst. Ich würde sogar so weit gehen, dass auch die Selbstsorge dazu gehört. Wenn Du also auf Dich selbst achtest und dafür sorgst, dass es Dir körperlich uns seelisch gut geht, dann ist das Gottesdienst. Gott hat Dir ja schließlich diesen Körper geschenkt und außerdem kannst Du auch nicht für andere da sein, wenn es Dir selbst nicht gut geht.

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Dieser Beitrag gehört zur Serie "Wie geht evangelischer Gottesdienst".

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Lebendiges Kirchenjahr

Dieser Beitrag steht im Themenbereich Lebendiges Kirchenjahr.

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Kirchenjahr
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Spiritualität

Kirchenjahr gehört mit Kirche und Bibel zum Bereich Spiritualität.

Der Gottesdienst am Sonntag

Behalten wir also im Sinn, dass im Grunde unser ganzes Leben als Christin, also Christ, ein Gottesdienst sein soll. Dazu gehört dann aber auch die Teilnahme am Gottesdienst am Sonntag in der Kirche. Wenn wir den Zusammenhang von Zeit und Gottesdienst betrachten, dann rede ich hier nicht von der Diskussion, ob der Gottesdienst am Sonntagmorgen möglichst früh oder möglichst spät stattfinden soll. Die einen wollen „noch etwas vom Tag haben“, die anderen wollen „nicht so früh aufstehen“. Auch der oft geäußerte Wunsch nach Abendgottesdiensten soll hier nicht diskutiert werden.

Es geht vielmehr darum, dass der Sonntag überhaupt der zentrale Tag für evangelische Gottesdienste ist. Der Sonntag war der allererste „Feiertag“, den die frühen Christen regelmäßig begangen haben. Das hat vor allem drei Gründe:

  1. Die ersten Christen waren Juden, die sowieso schon den Sabbat hielten. Der siebte Tag der Woche erinnerte an den „siebten Tag“ der Schöpfung. Am Tag, an dem Gott von den Werken der Schöpfung ruhte, soll auch der Mensch Ruhe haben von der Arbeit und dem Alltag. Der jüdische Sabbat ist unser Samstag.
  2. Die Auferstehung Jesu von den Toten geschah nach den Berichten der Evangelien am „ersten Tag der Woche“. Im damaligen Israel war das der Tag nach dem Sabbat, also am Sonntag. Die ersten Christen feierten ihre Gottesdienste zur Erinnerung oder besser zur Feier der Auferstehung deshalb am Sonntag (was damals noch ein Arbeitstag war). Als dann später das Christentum zur Staatsreligion des römischen Reiches wurde, wurde der Sonntag arbeitsfrei und dem Gottesdienst und der Ruhe gewidmet.
  3. Als „achter Tag“ der Woche – gerechnet vom Sabbat als Tag sieben der jüdischen Woche – deutet der Sonntag auf die Vollendung der irdischen Zeit in Gottes Ewigkeit.

Dreh- und Angelpunkt der Feiern am Sonntag und vor allem der Erinnerung an Jesus war das Abendmahl. Im Abendmahl vergewisserten sich die Christen der Gegenwart Gottes und erlebten die neue Gemeinschaft im gemeinsamen Glauben. Deshalb ist der Gottesdienst am Sonntag die zentrale Versammlung der Christinnen und Christen, der Kirche.

Der Gottesdienst im Tageslauf

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele gottesdienstliche Formen entwickelt, die die ganze Woche umfassen. Denke an das oben gesagte über das „Leben als Gottesdienst“. Es wurden auch unter der Woche Gottesdienste gefeiert. Die ganze Woche wurde im Laufe der Zeit zu einer Erinnerung an die Heilsgeschichte des Leidens und der Auferstehung Jesu: Der Mittwoch (als Tag des Verrats Jesu durch Judas) und der Freitag (als Tag der Kreuzigung) galten als Fastentage. Am Donnerstag wurde des letzten Abendmahls gedacht. Der Samstag galt als Tag der Grabesruhe und der Trauer über den Tod Jesu. Schließlich war der Sonntag der Höhepunkt jeder Woche der „Herrentag“ als Feier der Auferstehung.

Auch jeder einzelne Tag wurde durch Gebetszeiten gegliedert. Natürlich wurden dabei keine ganzen Gottesdienste gefeiert, aber so kam der Glaube mitten ins Leben. Immer wieder einmal innehalten und sozusagen einen „Minigottesdienst“ für sich selbst oder mit ein paar anderen zu halten, hilft, das ganze Leben als Gottesdienst zu sehen. Der Morgen galt täglich der Erinnerung an die Auferstehung Jesu am Ostermorgen und am Abend erinnerte man sich an seinen Tod am Kreuz. So galt der Tag dem Heil und der Heilsgeschichte Gottes, die Nacht aber gehörte der Gottferne und der Sünde. Dies gibt einen ganz anderen Blick auf das Thema Zeit und Gottesdienst.

Später entwickelten sich besondere Gebetszeiten im Laufe des Tages (Stundengebete). Vor allem in den Klöstern wurden sie alle und auch gemeinschaftlich eingehalten:

  • Matutin (das Nachtgebet zwischen Mitternacht und dem frühen Morgen)
  • Laudes (Morgenlob), in der evangelischen Kirche Mette genannt
  • Prim (zur ersten Stunde des Tages)
  • Terz (zur dritten Stunde)
  • Sext (zur sechsten Stunde)
  • Non (zur neunten Stunde)
  • Vesper (Abendlob)
  • Komplet (zum Tagesabschluss).

 

Diese Gebetszeiten in den Stundengebeten sind heute für den Alltag wohl kaum durchzuhalten, es sei denn, Du lebst in einem Kloster. Für die persönliche Spiritualität sind aber regelmäßige Gebetszeiten sehr von Vorteil. Sie halten uns nicht nur mit Gott im Kontakt, sondern helfen auch die eigenen Gedanken und die Ereignisse des Tages zu ordnen und zu verarbeiten. Ich empfehle deshalb zumindest ein regelmäßiges Morgen- und Tagesabschlussgebet. Auf meinem Blog findest Du liturgische Vorlagen als Hilfe dafür. Du kannst diese Zeiten aber natürlich frei gestalten:

Morgendandacht
Abendgebet

Zeit und Gottesdienst im Kirchenjahr

Der Gottesdienst an den Sonn- und Feiertagen folgt vorgegebenen Themen und Schwerpunkten. Deshalb ist es wichtig im Zusammenhang von Zeit und Gottesdienst auch einen Blick auf das Jahr zu werfen. Das Kirchenjahr ist im Laufen von zwei Jahrtausenden entstanden. Zunächst gab es besondere Feiertage für die Auferstehung Jesu (Ostern) und für die Geburt Jesu (Weihnachten oder Christfest). In den Gottesdiensten aus diesem Anlass wurden die entsprechenden Bibeltexte gelesen, die Gebete und Lieder passten zum Ereignis. So wurde im Laufe der Zeit jedem Sonntag ein – zumeist biblisches – Thema oder eine Geschichte zugeordnet und die dazu passenden Texte ausgewählt. So entstanden auch immer weitere Festtage – Pfingsten, Epiphanias, Reformationstag und so weiter.

Es gibt auch einen sehr umfangreichen Heiligenkalender. Dieser spielt in der evangelischen Kirche und für den evangelischen Gottesdienst keine so große Rolle. Mit der neuen Reform der Perikopenordnung wurden nun aber immerhin zwei Heilige in das evangelische Kirchenjahr aufgenommen: Martin und Nikolaus. Darüber hinaus gibt es schon länger Gedenktage an die Evangelisten und Apostel. Martin Luther war der Meinung, dass wir zwar nicht zu den Heiligen beten und sie als Mittler zu Gott nicht brauchen. Er empfahl aber, sich das Leben der Heiligen zum Vorbild für das eigene Leben zu nehmen. Auch im Sinn der Ökumene ist es gut, dass in unserem kirchlichen Jahreskalender nun auch ein paar Heilige zu finden sind.

Wie genau das Kirchenjahr mit seinen Themen, Geschichten und Feiertagen den sonntäglichen Gottesdienst beeinflusst, erläutere ich später etwas genauer. Es ist aber ein sehr umfangreiches Thema, weshalb ich plane in Zukunft eine eigene Veröffentlichung – vielleicht einen Onlinekurs – zum Kirchenjahr zu machen.

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Der Gottesdienst im Lebenslauf

Wenn wir über Zeit nachdenken, dann kommt früher oder später auch die eigene Lebenszeit, der Lebenslauf in den Blick. In unserem Leben von Geburt bis zum Tod gehören also Zeit und Gottesdienst auch zusammen. In diesem Zusammenhang gibt es spezielle Gottesdienstformen. Mit diesen Gottesdiensten soll das Leben der Gläubigen begleitet werden. Sie helfen, zentrale Veränderungen im Leben zu bewältigen, Sinn zu erleben und den Glauben zu fördern.

  • Die Taufe ist von Anfang an ein Ritual der Christenheit gewesen. Schon Jesus ließ sich taufen. Im Laufe der Zeit ist eine eigene Liturgie zu Feier dieses Sakraments entstanden. In der evangelischen Kirche finden Taufen normalerweise in einem normalen Gemeindegottesdienst statt. Es gibt gelegentlich aber auch spezielle Taufgottesdienste. Bei der Taufe wird der Anfang des Lebens eines Menschen gefeiert. Wir vertrauen unsere Kinder schon als Neugeborene Gottes Fürsorge an. Auch die Veränderung, die die Geburt des Kind im Leben der Eltern bewirkt, kommt in den Blick. Wer als Kind nicht getauft wurde, kann mit der Taufe als Erwachsener Mitglied in der Kirche werden und mit der Taufe den Glauben zum Ausdruck bringen. Auch das ist ein bedeutender Schritt im Leben.
  • Die Konfirmation ist ein Gottesdienst, den es so nur in evangelischen Kirchen gibt. In der katholischen Kirche entspricht dem die Firmung. Die Konfirmation findet normalerweise statt, wenn die Kinder zu Jugendlichen werden – mit etwa vierzehn Jahren. Früher war das der Zeitpunkt, an dem der „Ernst des Lebens“ begann und die meisten eine Ausbildung aufnahmen. Heute ist die Konfirmation eher ein Gottesdienst im Zusammenhang mit der Pubertät und dem Erwachsenwerden. Wenn Jugendliche nach ihrem eigenen Weg suchen, Sinnfragen stellen und sich langsam vom Elternhaus ablösen, möchte die Kirche sie begleiten.
  • Ein weiterer großer Schritt im Leben ist die Gründung einer Familie. Der Traugottesdienst feiert die Partnerschaft zweier Menschen und stellt ihren weiteren gemeinsamen Lebensweg unter den Segen Gottes.
  • Schließlich endet unser Lebenslauf irgendwann. Dann soll es einen würdigen Abschied geben. Dafür feiern wir Bestattungsgottesdienste. Sie stellen das beendete Leben und die Erinnerungen in Gottes Hand und begleiten die Angehörigen in ihrer Trauer.

Neben diesen zentralen Gottesdiensten im Lebenslauf gibt es weiter Möglichkeiten: Gottesdienste zum Hochzeitsjubiläum und zum Konfirmationsjubiläum, Tauferinnerungsgottesdienste, Gedenkgottesdienste und vieles mehr.

Du siehst, wie weit das Feld von „Zeit und Gottesdienst“ ist. Ich konnte es hier nur kurz anreißen. Es lohnt sich aber, weiter darüber nachzudenken.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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