Zwei oder drei oder mehr Menschen im evangelischen Gottesdienst
Häufig denkt man bei den Menschen im evangelischen Gottesdienst an die Mitarbeitenden – Pfarrer:in, Organist:in, Küster:in. Doch diese Menschen sind auch nur ein Teil all derer, die sich zum Gottesdienst versammeln. Beginnen wir deshalb mit der Gemeinde. Wenn Du an einem Gottesdienst teilnimmst, dann bist Du ein entscheidender Teil dieser lebendigen Gemeinschaft. Jesus hat einmal gesagt (Matthäus 18,20): Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.
In vielen Bereichen unseres Lebens sind wir passive Zuschauer – sei es im Kino, beim Sport oder auf Konzerten. Aber der Gottesdienst ist anders. Du bist keine Zuschauerin oder Zuschauer, sondern ein aktiver Teilnehmer. Die Gemeinde ist das Herzstück des Gottesdienstes. Das war in der Geschichte der Kirche nicht immer selbstverständlich. Zur Zeit Luthers gab es viele Gottesdienste (Messen), die nur der Priester allein abhielt. Luther nannte diese Gottesdienste „Winkelmessen“, weil sie an den Nebenaltären in der Kirche stattfanden. Damals war es üblich, dass es neben dem Hauptaltar an den Seiten des Kirchenschiffs, also in den „Winkeln“ viele Nebenaltäre standen.
Martin Luther war der Meinung, dass ein Gottesdienst nicht ohne Gemeinde sein kann. Dabei konnte er sich auf das Wort Jesu von den „zwei oder drei“ berufen. Er schaffte also die „Winkelmessen“ ab. Für den evangelischen Gottesdienst gilt heute noch, dass die versammelte Gemeinde ein zentraler Teil der Liturgie ist. (Heute ist das übrigens auch in der katholischen Kirche so.)
Serie
Dieser Beitrag gehört zur Serie "Wie geht evangelischer Gottesdienst".
Lebendiges Kirchenjahr
Dieser Beitrag steht im Themenbereich Lebendiges Kirchenjahr.
Kirchenjahr
Mit den Themen Bibel im Kirchenjahr und Liturgisches Kirchenjahr bildet Lebendiges Kirchenjahr den Abschnitt Kirchenjahr.
Spiritualität
Kirchenjahr gehört mit Kirche und Bibel zum Bereich Spiritualität.
Die Gemeinde als Teil der Liturgie
Gemeinsamer Gesang
Lieder im Gottesdienst und die gemeinsamen liturgischen Gesänge verbinden die Menschen im evangelischen Gottesdienst miteinander. Egal, ob du eine großartige Sängerin oder einfach nur ein „Unter-der-Dusche-Sänger“ bist – der Gemeindegesang verbindet uns. Das Singen von Kirchenliedern ist nicht nur schön, sondern auch ein Ausdruck von Gemeinschaft und gemeinsamem Glauben. Deine Stimme mischt sich mit den anderen, und gemeinsam schaffen wir etwas Besonderes.
Dabei geht es mir jetzt nicht nur um die klassische Kirchenmusik. Über die Art der Musik im Gottesdienst können wir diskutieren. Da ist heute auch sehr viel möglich. Die Geschmäcker sind eben verschieden. Aber ob Bach oder Lobpreis, ob Paul Gerhardt oder Hip-Hop, gemeinsamer Gesang verbindet.
Gemeinsames Gebet
Aber nicht nur der Gesang, auch das gemeinsame Gebet ist ein wichtiger Teil des Gottesdienstes. In den Fürbitten und im Vaterunser teilen wir unsere Anliegen, Sorgen und Hoffnungen. Du betest nicht nur für dich allein, sondern auch für die anderen in der Gemeinde und für die Welt. Das verbindet uns auf eine tiefe und spirituelle Weise. Es verbindet uns auch alle zusammen mit Gott. Wir sprechen ihn als Vater an und wir sind als seine Kinder dann Geschwister.
Auch wenn die Pfarrerin oder Mitarbeiter der Kirchengemeinde Gebete sprechen, so tun sie das doch in der Hoffnung, dass Du und alle anderen in Gedanken mit einstimmen in das Gebet. Das gemeinsame „Amen“ am Ende eines Gebetes bedeutet: „Ja, dieses Gebet ist auch meines. Ich schließe mich dem an.“
Gemeinsam Gottes Wort hören
Die Lesungen aus der Bibel und die Predigt sind nicht nur Aufgaben des Pfarrers. In der evangelischen Kirche können im Prinzip alle Getauften Gottesdienst halten und predigen. Darüber hinaus sollen die Lesungen und die Predigt aber nicht nur passiv gehört werden. Auch wenn sie von einem Menschen vorgetragen werden, sollen sie doch für die Gemeinde Gottes Wort werden. Deshalb geht es nicht nur um das Hören, sondern auch darum, darüber nachzudenken. Du hörst zu, nimmst die Botschaft in dich auf und kannst sie in deinem Leben reflektieren und umsetzen.
In vielen Gemeinden gibt es auch Predigtnachgespräche oder auch Gruppen, die mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer die Predigttext vor besprechen. Ideal ist, wenn die Bibeltexte und die Predigt im Laufe der Woche „mit uns gehen. Nachdenken, Fragen stellen, diskutieren – das kann ich in meinem Kopf oder mit den anderen Gemeindegliedern. Damit sind wir aktiv an der Aktualisierung von Gottes Wort für uns heute beteiligt.
Gemeinschaft und Nächstenliebe
Der Gottesdienst ist auch ein Ort der Gemeinschaft. Hier triffst Du Menschen, die vielleicht nicht zu Deinem Alltag gehören, aber dennoch Teil Deiner Glaubensgemeinschaft sind. Du kannst Kontakte knüpfen, dich austauschen und ein Gefühl der Zugehörigkeit erfahren. Um das zu intensivieren gibt es in vielen Kirchengemeinden im Anschluss an den Gottesdienst ein „Kirchencafé“. Auch die vielen Veranstaltungen, die die Kirche im Laufe der Woche anbietet, geben die Möglichkeit zu weiterer Gemeinschaft.
Doch nicht nur die Menschen, die sich zum Gottesdienst versammeln gehören dazu. Seit jeher gibt es zwei zentrale Pfeiler, auf denen das Leben der Gläubigen und der Kirche steht. Wir nennen sie mit griechischen Begriffen: leiturgia und diakonia. Übersetzt: Gottesdienst und Diakonie. Deshalb erinnert uns der Gottesdienst auch an die Bedeutung der Nächstenliebe. Wir denken an diejenigen, die Unterstützung benötigen, und setzen uns für diakonische Arbeit ein. Dazu gehört auch das Gebet für andere, aber auch die Kollekte. Oft wird die Kollekte als Fremdkörper im Gottesdienst angesehen. Manche meinen, die Kirche kann „den Hals nicht vollkriegen“, aber diese Spende geht direkt in diakonische und soziale Projekte.
Gemeinsam schmecken und sehen
Besonders deutlich wird die Gemeinschaft im Abendmahl. Wir essen und trinken zusammen, so wie es Jesus mit seinen Jüngern zusammen getan hat. Natürlich ist dieses „Abendessen“ heute im Gottesdienst ritualisiert, aber die Bedeutung des gemeinsamen Essens ist noch da. Das Abendmahl stellt uns auch alle zusammen in die Gemeinschaft mit Jesus. Es ist also nicht nur eine Mahlzeit, sondern ein geistliches Geschehen, in dem wir mit Gott, mit Jesus verbunden sind, Glauben intensiv spüren können, Vergebung unserer Schuld erfahren und gestärkt und hoffnungsvoll weitergehen.
Die Gemeinschaft der Menschen im evangelischen Gottesdienst, die am Abendmahl teilnehmen, ist zwar keine Gemeinschaft, die durch Familie oder Freundschaft gestiftet wird, sondern eine Gemeinschaft zu der uns Gott zusammenfügt. Es sind oft sehr unterschiedliche Menschen, die im Alltag so nicht zusammenfinden würden. Manchmal ist vielleicht sogar jemand dabei, den wir gar nicht mögen. Doch der Glaube kann uns zusammenbringen. Der Glaube kann Grenzen zwischen Menschen überwinden. Und so kann sogar Freundschaft entstehen, die wir nicht für möglich gehalten hätten.
Gemeinsam unter dem Segen
Am Ende des Gottesdienstes empfangen wir den Segen. Gemeinsam stellt sich die ganze Gemeinde unter den Segen Gottes. Das ist nicht einfach nur eine formelle Geste, sondern ein persönlicher Segen für Dich und die gesamte Gemeinde. Der Segen gibt uns Kraft und Zuversicht, wenn wir nach dem Gottesdienst wieder in die Welt hinausgehen. Egal, was an diesem Tag oder in der kommenden Woche (oder in der Zeit bis zum nächsten Gottesdienstbesuch) auf uns zukommt, Gott geht mit. Wir bleiben im Glauben auch mit den Menschen verbunden, mit denen wir Gottesdienst gefeiert haben. Und hoffentlich begleiten uns auch die Gedanken und Anregungen, die Freude und Zuversicht, die Erleichterung und die Hoffnung, die wir im Gottesdienst erleben konnten.
Die Handelnden im Gottesdienst
Pfarrerin, Pfarrer
Auch wenn ich jetzt betont habe, dass Du als Teilnehmerin oder Teilnehmer am Gottesdienst nicht passiv beteiligt bist, braucht es natürlich Menschen, die den Gottesdienst gestalten. Dabei denken wir in der evangelischen Kirche zuerst an Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie sind dafür ausgebildet, von der Kirche beauftragt und freigestellt. Es gibt aber auch Ehrenamtliche, die Gottesdienste leiten. Wir nennen sie Lektoren oder Prädikanten. Im Prinzip kann aber in der evangelischen Kirche jeder und jede Getaufte den Gottesdienst halten.
Kirchenmusiker, Kirchenmusikerin
Neben den Leitenden gibt es noch weitere Beteiligte. Da sind zuerst die Kirchenmusiker und Kirchenmusikerinnen. In großen Gemeinden gibt es hauptamtliche Kantoren und Kantorinnen, die Kirchenmusik studiert haben. In den allermeisten Gemeinden aber sind es Nebenamtliche Organistinnen und Organisten, die die Lieder begleiten. Doch nicht nur die Orgel spielt eine Rolle in der Kirchenmusik. Darüber hinaus gibt es vielfältigste Musik im Gottesdienst. Das reicht von einem ganzen Orchester über Chöre und Posaunenchöre bis hin zu Bands, die moderne Musik spielen. Sie alle sind bedeutsam für unsere Gottesdienste.
Küsterin, Küster
Etwas weniger sichtbar, aber unverzichtbar, sind Küsterin oder Küster. Das sind Menschen, die dafür sorgen, dass in dem Kirchengebäude alles für den Gottesdienst bereit ist. Sie stellen die Heizung ein, schmücken den Altar, zünden die Kerzen an, richten das Taufbecken und das Abendmahlsgeschirr, läuten die Glocken, öffnen die Türen und und und. Du siehst, wie wichtig dieser Dienst ist.
und noch viele andere
Es kann noch weitere Personen geben, die den Gottesdienst mitgestalten. Besonders in Kinder-, Jugend- und Familiengottesdiensten sind oft Diakone oder Gemeindepädagoginnen dabei. Auch Ehrenamtliche – zum Beispiel Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher – helfen mit. In vielen Gemeinden ist es üblich, dass Ehrenamtliche einen Teil der Liturgie übernehmen. Sie machen die Begrüßung und die Abkündigungen, die Lesung oder beteiligen sich am Fürbittengebet.
Du siehst, die Gemeinde ist viel mehr als nur eine Ansammlung von Menschen in einer Kirche. Viele Menschen sorgen dafür, dass ein Gottesdienst stattfinden kann. Und Du bist ein integraler Bestandteil des Evangelischen Gottesdienstes, und Deine Anwesenheit, Deine Stimme und Dein Glaube tragen dazu bei, dass der Gottesdienst zu einer bereichernden und spirituellen Erfahrung für alle Beteiligten wird.
Also, wenn Du das nächste Mal im Gottesdienst sitzt, denk daran: Du bist nicht nur Zuschauer. Du bist ein aktiver Teil der Liturgie, und Deine Teilnahme macht den Gottesdienst zu dem, was er ist. Danke, dass Du zu unserer Gemeinschaft gehörst! Du bist einer der vielen Menschen im evangelischen Gottesdienst, die diese große Gemeinschaft bilden.
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe