​Die Liturgie

Kommen wir jetzt zum zentralen Teil dieser Beitragsserie, den einzelnen Teilen der Liturgie. Ich habe ja schon mehrfach deutlich gemacht, dass dazu jedes einzelne Element des Gottesdienstes gehört. Es sind nicht nur die „kleinen“ oder die „immer gleichen“ Teile, sondern auch die Lieder, Gebete und der Segen bis hin zur Predigt. Nur alle Elemente zusammen bilden die Liturgie. Ich betone das immer wieder, weil ich schon so oft erlebt habe, dass sogar regelmäßige Kirchgänger sagen: Die Predigt ist mir sehr wichtig und die Lieder singe ich gerne, aber mit der Liturgie kann ich nichts anfangen. Lass es mich deshalb noch einmal sagen: Auch die Predigt und die Lieder gehören zur Liturgie.

Jetzt geht es mir zuerst um eine Übersicht über die einzelnen Teile des Gottesdienstes. Wie können wir die Liturgie gliedern? Noch viel wichtiger ist mir die Frage, welche Funktion diese Elemente im Gottesdienst haben, also die Frage: Was geschieht im Gottesdienst? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Bedeutung eines evangelischen Gottesdienstes zu beschreiben.

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Dieser Beitrag gehört zur Serie "Wie geht evangelischer Gottesdienst".

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Lebendiges Kirchenjahr

Dieser Beitrag steht im Themenbereich Lebendiges Kirchenjahr.

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Kirchenjahr
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Spiritualität

Kirchenjahr gehört mit Kirche und Bibel zum Bereich Spiritualität.

​Ein dreifacher Dienst

Ich möchte zuerst einfach von dem Wort „Gottesdienst“ ausgehen. Das Wort ist zusammengesetzt aus zwei einzelnen Wörtern: „Gottes Dienst“. Wir könnten also daraus schließen, dass Gott in der Liturgie dient. Vielleicht ist der Gedanke doch etwas ungewöhnlich. Üblicherweise verstehen wir doch Gottesdienste als Dienst der Menschen für Gott. Wir dienen Gott, nicht Gott uns – oder? Wenn wir auf die Opfergottesdienste in Tempeln zur Zeit der ersten christlichen Gemeinde schauen, dann ist doch klar, dass die Götter von den Menschen Opfer forderten und die Menschen zu gehorchen hatten. Also mussten die Menschen den Göttern dienen.

Es ist also schon etwas außergewöhnlich, dass die ersten Christen und Christinnen auf den Gedanken kamen, dass stattdessen Gott uns Menschen dient. Wie kommt das? Der Grundgedanke des christlichen Glaubens ist, dass Gott in Jesus in die Welt gekommen ist, um die Menschen und die ganze Schöpfung zu erlösen. Es ist also Gottes Handeln, das im Mittelpunkt steht. Das gilt auch für den Gottesdienst. Im Gottesdienst wird uns verkündigt, dass Gott uns liebt und uns annimmt. Im Abendmahl, das mit dem Wort Gottes zum Gottesdienst gehört, erfahren wir Gemeinschaft mit Gott, die er uns in Brot und Wein – in Leib und Blut Christi – schenkt.

Deshalb können wir davon sprechen, dass Gottes Dienst an seinen Menschen die Mitte der Liturgie, also des Gottesdienstes ist. So redet und handelt Gott an uns. Dann aber gehört auch unsere Antwort dazu. Wir antworten auf Gottes Dienst, indem wir ihm dienen. Das tun wir aber nicht mehr mit Opfern, sondern mit Liedern, Gebeten und dem Bekenntnis unseres Glaubens. Letztlich dienen wir Gott im Gottesdienst, indem wir seinen Dienst annehmen und bejahen.

Dadurch, dass wir gemeinsam Gottes Dienst empfangen und annehmen, wird auch eine Verbindung zwischen uns Menschen, zwischen den Gläubigen hergestellt. So können wir in einem weiteren, dritten Schritt sagen, wir dienen auch einander. Das kommt zum Ausdruck in der Gemeinschaft im Gottesdienst – im gemeinsamen Singen, beten, bekennen.

Immer wieder werden dabei liturgisch sowohl die persönliche Seite, als auch die gemeinschaftliche deutlich. Jeder singt mit seiner eigenen Stimme, aber gemeinsam bilden wir den Gesang zu Gottes Lob. Jede betet auch ganz persönlich, aber gemeinsam beten wir füreinander. Jeder spricht das Glaubensbekenntnis für sich, aber gemeinsam geben wir damit Zeugnis vor der Welt. Jede bekommt beim Abendmahl ganz persönlich zugesprochen: „Christi Leib und Blut für dich!“, aber gemeinsam stehen wir alle vor dem Altar.

Der „Dienst“ im Gottesdienst läuft also in drei Richtungen:

  • Gott dient den Menschen.
  • Die Menschen dienen Gott.
  • Die Menschen dienen einander.

Eine dreifache Beziehung

Sind wir gerade von der Bezeichnung „Gottesdienst“ ausgegangen, so können wir diese dreifache Richtung auch als Beziehung deuten. Der Gottesdienst setzt uns in Beziehung. Wir feiern in der Beziehung von uns zu Gott, von Gott zu uns und untereinander. Diese Deutung des liturgischen Geschehens ist tief verwurzelt in unserem Glauben und in dem biblischen Zeugnis. Gott erwählte Abraham als den Stammvater der Juden. Er setzte sich in eine Beziehung zu diesem einzelnen Menschen und später dann zu seinem erwählten Volk Israel.

Jesus baute immer wieder zuerst und vor allem die Beziehung zu den Menschen auf, denen er begegnete. Nicht zufällig wird in den Evangelien so viel von gemeinsamen Essen erzählt. Jesus hat Tischgemeinschaft mit dem Zöllner Zachäus und das verändert dessen Leben grundlegend. Jesus nimmt Menschen ohne Ansehen ihrer Person in seine Gemeinschaft. Damit bricht er althergebrachte Strukturen auf und gibt den Menschen neue Hoffnung. Und Jesus zeigt uns eine ganz besondere Beziehung zu Gott. Deshalb sagen wir, dass er der Sohn Gottes ist, und deshalb können wir „Vater“ zu Gott sagen,.

Die einzelnen Teile der Liturgie können diesen Beziehungsrichtungen zugeordnet werden. Am deutlichsten erfahren wir diese unterschiedlichen Beziehungen wohl im Abendmahl. Wir haben im Teilen des Brotes und des Weins Gemeinschaft – jeder und jede für sich – mit Gott und erleben zugleich Gemeinschaft untereinander. Diese Gemeinschaft ist nicht an familiäre Beziehungen und auch nicht an selbstgewählter Freundschaft gebunden. Diese Gemeinschaft der Glaubenden wir von Gott zusammengefügt.

Wenn wir durch die einzelnen Elemente der Liturgie gehen, dann können wir uns immer wieder fragen: Wo kommt die Beziehung Gottes zu uns zum Ausdruck? Wo wenden wir uns zu Gott? Wo erfahren wir Gemeinschaft untereinander? Dieser Blick schafft ein ganz neues, besonderes Verständnis der Liturgie.

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​Gottesdienst als Dialog

Es gibt noch eine andere Möglichkeit, die einzelnen Elemente des Gottesdienstes zu ordnen und zu interpretieren. Es geht im Gottesdienst auch um Dialog und Kommunikation. Das hängt natürlich eng mit der Beziehung zusammen, aber es noch eine andere Dimension. Ich finde es interessant, dass die zentralen kommunikativen Elemente unseres heutigen Gottesdienstes schon in der Bibel erwähnt werden. Ich beziehe mich hier vor allem auf einen Vers aus Apostelgeschichte 2,42: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet“.

1. Im Gottesdienst reden wir mit Gott.

Wenn wir Gott ansprechen, dann nennen wir das „beten“. Im Gottesdienst geschieht das in vielfältigen Formen. Deutlich und ausdrücklich gibt es am Anfang des Gottesdienstes das Eingangsgebet und gegen Ende das Fürbittengebet, das mit dem Vaterunser abgeschlossen wird. Doch viele andere Teile des Gottesdienstes haben Gebetscharakter – zum Beispiel der Psalm oder auch Gebetsrufe wie Kyrie oder Gloria. Auch viele Lieder sind Gebetstexte.

2. Im Gottesdienst redet Gott mit uns.

Wir reden vom „Wort Gottes“, wenn wir die Bibel meinen. Genau so ist es zu verstehen, wenn im Gottesdienst die biblische Lesung und der Predigttext verlesen wird. Es ist Gottes Wort an uns; hier redet Gott mit uns. In dem Vers aus der Apostelgeschichte ist von der Lehre der Apostel die Rede. Damit ist in den allerersten Jahren sicher auch die persönliche Ansprache – nennen wir es Predigt – der Apostel in einer Gemeinde gemeint. Später wurden dann die Briefe, die zum Beispiel Paulus an einzelne Gemeinden geschrieben hat, kopiert und in anderen Gemeinden vorgelesen.

Letztlich ist daraus unsere heutige Predigt entstanden. Pfarrerinnen und Pfarrer, aber auch ehrenamtliche Prediger und Predigerinnen versuchen den biblischen Text für uns heute aktuell zu erklären. Natürlich ist das immer das Wort des Predigenden, aber in diesem menschlichen Wort sollen, wollen, dürfen wir auch das Wort Gottes hören. Auch der Segen am Ende des Gottesdienste wird meist zugesprochen („Gott segne dich…“). Dann ist es doch auch Gottes Wort für mich. Es ist dann ein Unterschied, wenn stattdessen um den Segen gebeten wird („Gott, segne uns…“). Dann reden wir mit Gott.

3. Im Gottesdienst reden wir miteinander.

Manchmal gibt es Gottesdienste, in denen in Kleingruppen miteinander gesprochen werden kann. Das ist aber nicht üblich für den normalen Gottesdienstablauf. Normalerweise reden wir im Gottesdienst nicht miteinander, wie wir es in einem alltäglichen Gespräch tun würden. Trotzdem gibt es auch diese Dimension im Gottesdienst. Wenn wir unter anderem das Glaubensbekenntnis sprechen, dann bekennen wir unseren Glauben auch vor den anderen, die mit uns im Gottesdienst sind.

Am deutlichsten reden wir miteinander im Abendmahl. Da gibt es zum Beispiel den Friedensgruß, bei dem wir uns einander zuwenden und uns den Frieden Gottes gegenseitig zusprechen. Insgesamt empfinde ich die gemeinsame Teilnahme am Abendmahl und die Gemeinschaft, die dadurch entsteht, als kommunikativ. Es wird nicht viel geredet, aber Kommunikation ist ja noch viel mehr als Worte.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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