Dankbarkeit für den Glauben – Teil 2
Letzte Woche habe ich Dir ein wenig erzählt, welche Menschen mich in meinem Glauben besonders geprägt haben. Heute möchte ich darüber schreiben, was mir am Glauben besonders wichtig ist und warum ich dankbar für den Glauben bin.
Dankbarkeit ist mein Monatsthema im Oktober. Hier findest Du alle Beiträge der Serie:
1. Dankbarkeit als Lebenseinstellung
2. Dankbarkeit für den Glauben 1
3. Dankbarkeit für den Glauben 2
4. Dankbarkeit für die Menschen
5. Dankbarkeit für das Leben
Doch zunächst habe ich eine kleine Anmerkung: Wenn ich einen Text hier auf meinem Blog veröffentliche, habe ich immer etwas Lampenfieber. Das ist ganz besonders stark, wenn ich solche persönlichen Dinge schreibe. Ich frage mich dann, ob ich Dir damit tatsächlich etwas hilfreiches vermitteln kann. Tut es Dir gut, was ich schreibe? Hilft es Dir, neu nachzudenken oder neue Gedanken zu bekommen?
Ich hoffe sehr, dass ich Dich auch mit diesem Text inspirieren kann, Dir Deine eigenen Gedanken zu machen und Dir über Deinen Glauben bewusster zu werden. Vor allem geht es mir ja auf meinem Blog immer darum, den Glauben, die Spiritualität, mit unserem heutigen Leben in Verbindung zu bringen. Welche Lebensweisheiten der Glaube auch für unsere digitale Welt hat, ist meine zentrale Frage.
Stärke
Dieser Beitrag steht im Themenbereich Stärke.
Seelsorge
Mit den Themen Schwächen und Persönlichkeit bildet Stärke den Abschnitt Seelsorge.
Lebensweisheiten
Übersicht
Infos über alle Themen meines Blogs findest Du auf der Übersichtsseite.
Die Werte des Glaubens
In diesem Zusammenhang habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie mir der Glaube in meinem Leben besonders geholfen hat. Welche Werte oder Einstellungen, die mir heute noch wichtig sind, hat mir der Glaube gegeben? Wo hat der Glaube konkreten Einfluss auf mein Leben gehabt.
Jesus
Anfangen möchte ich mit der Grundlage unseres christlichen Glaubens – besser gesagt, mit dem Grundleger: Jesus. Natürlich könnte ich über Jesu Leben und Worte, wie sie in der Bibel berichtet sind, eine ganze Menge schreiben. Ich möchte mich in diesem Beitrag beschränken auf das, was mir am wichtigsten ist.
Eine der grundlegenden Aussagen des christlichen Glaubens ist, dass Jesus, der Sohn Gottes, “wahrer Mensch und wahrer Gott” ist. Diese Aussage ist ziemlich abstrakt und es gibt wohl viele Menschen, die entweder so etwas gar nicht glauben können oder einfach keine Ahnung haben, was das bedeuten soll.
Mir ist das als Dogma, als Glaubenssatz, nicht mehr besonders wichtig. Bis heute beschäftigt mich sehr, dass damit eine klare Aussage gemacht wird: Es kommt in unserem Glauben vor allem auf die Menschlichkeit an. Wenn Gott selbst Mensch wird, und dafür steht ja Jesus und das feiern wir an Weihnachten, dann sind wir Menschen ihm unendlich wichtig. Das macht mich dankbar für den Glauben.
Für mich ist das das Fundament meines Glaubens, aus dem nahezu alles andere folgt. Die Menschlichkeit des Glaubens fordert alles Gute für alle Menschen. Freiheit, Glück, Toleranz, Annahme, Hoffnung und Liebe für alles Menschen gehören zu unserem Glauben unaufgebbar dazu!
Taufe
Noch ist die Kindertaufe in der evangelischen und katholischen Kirche die Regel, aber immer mehr Eltern verzichten darauf. Das hat verschiedene Gründe und ich möchte jetzt gar nicht darüber diskutieren. Schließlich muss das ja jeder für sich selbst entscheiden.
Ich bin als kleines Baby getauft worden und ich finde es gut, dass meine Eltern das damals so entschieden haben. Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht selbst treffen musste. Warum ist das für mich so positiv?
In der Taufe sagt Gott “Ja!” zu einem Menschen. Es ist die bedingungslose Liebe, die diesem einmaligen, einzigartigen Menschen gilt. Sie hat keine Vorbedingungen. Das kommt in der Kindertaufe ganz besonders deutlich zum Ausdruck.
Ein Baby kann keine Vorbedingungen erfüllen. Es hat keine Leistungen vorzuweisen. Es wird einfach geliebt. Genau das wird in der Taufe sichtbar gemacht. Ich weiß, dass ich ein ganz großes Ja vor meinem Leben stehen habe, das mir keiner nehmen kann. Von Martin Luther wird erzählt, dass er in den schwierigsten Stunden, in Angst und Zweifel, mit Kreide an die Wand geschrieben hat: Ich bin getauft. Damit war für ihn alles gesagt! (Und für mich auch!)
Freiheit
Wer glaubt ist frei! Ja, davon bin ich überzeugt. Wenn Gott oder die Werte, die der Glaube vermittelt, die höchste Instanz sind, dann kann man auch gegen negative Einflüsse immun werden. Nicht umsonst hat der Glaube (nicht nur der christliche) so vielen Menschen die Kraft gegeben, gegen Unmenschlichkeit von Diktatoren und Weltanschauungen Widerstand zu leisten.
Heute ist mir die Freiheit eines menschenfreundlichen und toleranten Glaubens besonders wichtig gegen die menschenverachtenden Strömungen aus der politisch rechten Ecke. Diese Freiheit gibt auch Mut und Hoffnung, sich davon nicht mitreißen zu lassen. Erst recht gilt das, wenn die neuen Rechten versuchen, sich selbst als die besseren Christen zu verkaufen.
Hoffnung
Auch Hoffnung ist für mich ein zentraler Punkt des Glaubens. Gerade deshalb bin ich besonders dankbar für den Glauben. Ich meine damit nicht die “Vertröstung auf eine jenseitige Zukunft”. Der Glaube gibt auch Hoffnung für das persönliche Leben und die Zukunft unserer Welt. Obwohl heute so viele Menschen für die Zukunft “schwarz sehen”, bleibt für mich die Hoffnung bestehen, dass Gott die Welt und uns Menschen in seiner Hand hält.
Ich bin schon immer ein absoluter Optimist gewesen. Das hängt für mich ganz zentral damit zusammen, dass mein christlicher Glaube, die Hoffnung in sich trägt. Damit lassen sich auch schwierige Zeiten im Leben gelassener bewältigen. Natürlich geht es nicht um eine “Blauäugigkeit”, die platt meint: “Das wird schon wieder!” Es geht aber darum, den Kopf oben zu halten und mit zuversichtlich in die Zukunft zu sehen!
Schöpfer
Genau diese Hoffnung drückt sich aus, wenn wir Gott als Schöpfer bezeichnen. In der Bibel ist damit verbunden, dass der Schöpfer seine Hand über seine Schöpfung hält. Die Geschichte von Noah verspricht, dass Gott die Welt erhalten will und verknüpft das mit dem Symbol des Regenbogens.
Deshalb gibt dieser Gedanke auch Vertrauen in die Beständigkeit der Lebensgrundlagen. Andererseits liegt in dem Auftrag, den der Schöpfer den Menschen gegeben hat – die Welt zu “bebauen und zu bewahren” – auch der Auftrag zum Umwelt-, Natur- und Klimaschutz. Ist das nicht hochaktuell in Zeiten von “Fridays for Future”?
Nächstenliebe
Jesus hat uns Christen die Nächstenliebe aufgetragen. Er gibt sehr eindeutige Hinweise, was darunter zu verstehen ist. Deshalb kann ich nicht verstehen, wie heute Menschen, die sich Christen nennen, ablehnend oder gar feindlich gegen Flüchtlinge, Andersdenkende oder Andersgläubige sein können.
Mir hat der Glaube mit der Nächstenliebe eine soziale Einstellung in Kopf und Herz verankert. Vielleicht gelingt es mir nicht immer, aber ich versuche grundsätzlich allen Menschen, denen ich begegne, tolerant und freundlich gegenüberzutreten. Hilfsbereitschaft ist eine konkrete Folge der Nächstenliebe.
Für mich ganz persönlich hängt auch mein Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr ganz eng damit zusammen. Nicht umsonst hat die Feuerwehr das Motto: Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr.
Die Propheten im Alten Testament, vor allem Amos, haben es mir immer schon besonders angetan. Mich fasziniert vor allem die gesellschaftskritische Einstellung, die der Glaube schon vor über zweieinhalb Jahrtausenden einnehmen konnte. Bei den Propheten wird deutlich, dass nicht nur das “kleine, persönliche” Engegement eines Menschen zur Nächstenliebe gehört, sondern auch der Einsatz für eine gerechte und friedliche Welt.
Tiefe
Ich könnte noch viel mehr nennen, was mir der Glaube gegeben hat, aber ich möchte es in diesem Beitrag dabei belassen. Nur eines noch: Ich bin dankbar für den Glauben, weil Spiritualität dem Leben eine besondere Tiefe gibt. So vieles in unserer schnelllebigen Welt bleibt an der Oberfläche. Das Leben wird aber reicher und buter und vielfältiger, wenn es auch den Horizont der Transzendenz einbezieht. Der Gedanke, dass es mehr gibt, als wir mit den Augen sehen und wissenschaftlich begreifen, gibt einen weiten Blick.
Der Glaube hat mir auch geholfen, die eigene Endlichkeit und die Realität des Todes nicht auszublenden. Als Pfarrer habe ich damit oft zu tun gehabt. Dem nicht auszuweichen sondern standzuhalten, das macht keine Angst, sondern hilft genauer hinzuschauen und das Leben bewusster wahrzunehmen.
Diese Tiefe, die der Glaube, die Spiritualität dem Leben gibt, möchte ich nicht mehr missen. Deshalb bin ich dankbar für den Glauben, der mir im Leben mitgegeben wurde. Darum freue ich mich auch heute noch über die Spiritualität, die mein Leben reicher macht.
Freude ist die einfachste Form der Dankbarkeit. Karl Barth
Weiter dankbar für den Glauben…
Ich bin sicher, dass sich mein Glaube auch weiterhin verändern wird. Gerade jetzt wird mir vieles neu bewusst und denke ich über vieles neu nach, weil ich jetzt eine Partnerin an meiner Seite habe, die ganz anders aufgewachsen und geprägt ist und ganz anders glaubt. Das ist eine wundervolle Spannung, die einen neuen Blick ermöglicht.
So möchte ich weiter glauben, heute und auch in Zukunft. Ich möchte immer weiter nachdenken darüber, was Glaube bedeutet und wie wir ihn leben können. Denn Glaube hat die Kraft, das Leben tiefer und gut zu machen. Weil auch das dazu gehört, bin ich dankbar für den Glauben.
Ich möchte aber auch “weiter glauben”, in dem Sinne, meinen Glauben zu erweitern. Neue Wege zu suchen und zu gehen, mit Menschen, die genauso denken wie ich und mit Menschen, die ganz anders denken und glauben. In dieser Begegnung wird Glaube noch lebendiger und kräftiger.
Ich möchte immer weiter glauben, weil Glaube Hoffnung gibt, auch für unsere Welt und die Zukunft des Lebens.
Und ich freue mich, wenn Du mich weiter ein Stück auf diesem Weg begleitest, meine Gedanken mitliest und vielleicht mir auch Deine Gedanken mitteilst! Wie geht es Dir mit dem Glauben? Findest Du mehr Positives oder mehr Problematisches? Wer hat Dir Glauben vermittelt? Wie hat sich Dein Glaube verändert im Lauf der Zeit?
Wie ich am Anfang schon geschrieben habe, empfinde ich es immer als Wagnis, einen solchen Text zu veröffentlichen. Es würde mir persönlich deshalb sehr helfen, wenn Du mir Rückmeldungen dazu gibst. Bitte schreib mir doch eine Mail (uwe@uwe-hermann.net) oder einen Kommentar.
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe