Predigt Totensonntag 1. Korinther 15,35–38.42–44a
Predigt Totensonntag 1. Korinther 15,35–38.42–44a von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe II, Thema: Was für ein seltsames Jahr. Gehalten im Gottesdienst am 22.11.2020 in Sechshelden und Manderbach.
Sonn-/Feiertag: Totensonntag
Perikopenreihe: II
Predigttext 1. Korinther 15,35–38.42–44a
35 Es könnte aber jemand fragen: Wie werden die Toten auferstehen und mit was für einem Leib werden sie kommen?
36 Du Narr: Was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt.
37 Und was du säst, ist ja nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, sei es von Weizen oder etwas anderem.
38 Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er will, einem jeden Samen seinen eigenen Leib.
42 So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich.
43 Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft.
44 Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.
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Predigt Totensonntag 1. Korinther 15,35–38.42–44a
Was für ein seltsames Jahr
Liebe Gemeinde,
als ersten Satz für die Predigt hatte ich mir aufgeschrieben: Was für ein seltsames Jahr! Wenn ich jetzt so hier in die Reihen schaue, dann sehe ich das mit eigenen Augen, was für ein seltsames Jahr das ist. Wie wir hier sitzen, mit Masken, mit großem Abstand. Das ist irgendwie so unwirklich. Was für ein Jahr voller Dinge, die wir nicht verstehen können; vor denen wir ratlos stehen.
Wie viel mehr gilt das für die unter uns, die heute hier sind, weil sie im vergangenen Jahr einen lieben Menschen verloren haben. Das war möglicherweise mit noch seltsameren und noch unverständlicheren Umständen verbunden. Doch auch in diesem seltsamen Jahr wollen wir heute unserer Verstorbenen gedenken. Deshalb nennen wir diesen Sonntag Totensonntag, weil wir uns erinnern wollen, auch wenn dadurch möglicherweise wieder Wunden aufgerissen werden.
Wahrscheinlich sind auch viele hier, die noch anderes Leid erleben in ihrem Leben – Kranke, Einsame, Verlassene, Sorgenvolle… Liebe Gemeinde, es gibt ja nicht nur Corona. Es gibt doch auch sonst so viel in unserem Leben, was wir nicht verstehen. Wie oft fragen wir uns: warum, wieso, weshalb. Warum gibt so vieles, das wir nicht verstehen – in diesem Jahr, in unserem Leben, im Zusammenhang mit dem Tod und dem Sterben.
Was für ein seltsamer Predigttext
Vielleicht auch im Zusammenhang mit diesem Predigttext, den ich eben vorgelesen habe. Was ist das überhaupt für eine Frage: „Wie werden die Toten auferstehen?“ Ich weiß nicht, wie viele von uns sich so eine Frage schon mal gestellt haben. Wenn überhaupt, dann doch vielleicht eher die Frage: „Gibt es sowas wie Auferstehung überhaupt?“
Das ist doch auch sowas, was man eigentlich gar nicht verstehen kann. Das geht doch nicht in den Kopf und in den Verstand. Es ist so vieles nicht zu verstehen. Gerade an einem solchen Gedenktag wie heute. Und doch suchen wir doch gerade angesichts all des Unverständnisses und angesichts der Gräber und angesichts eines solchen Gedenktages nach Trost, nach Hoffnung, vielleicht ja sogar nach Glauben gegen den Zweifel und die Fragen.
Deshalb nennen wir diesen Sonntag nicht nur Totensonntag, sondern wir nennen ihn auch Ewigkeitssonntag, weil unser Blick nicht nur nach unten auf die Erde, auf die Gräber gehen soll, sondern weil wir unseren Blick wieder aufheben sollen, nach vorne schauen, hin zur Ewigkeit Gottes.
Ein Hoffnungsschimmer
Der Apostel Paulus versucht es in dem Predigttext mit dem Bild von einem Korn oder einem Samen. Jesus hat das Gleichnis ja auch benutzt. Erst das Weizenkorn, das in der Erde stirbt, vergeht, kann neue Frucht bringen. Dann erst wächst daraus etwas Neues.
Dann kann ich mich diesem Predigttext doch auch trotz aller Fragen, allen Zweifels und allem Unverständnis ein klein wenig nähern, dann fängt er an etwas zu leuchten. Wenn ich diese Worte, diese Vergleiche höre, die Paulus benutzt:
- aus dem Tod wächst neues Leben,
- aus Niedrigkeit wird Herrlichkeit,
- aus Schwachheit wird Kraft,
- es wird etwas völlig Neues geben.
Das ist zu viel für unseren Verstand, natürlich. Das geht gegen unsere Spekulationen und es geht gegen unsere Zweifel. Es ist für uns verborgen. Und doch fühlt es sich auch wunderbar an. Diese Worte strahlen eine Kraft aus, die wir nicht mit dem Verstand erfassen können.
Säen statt begraben
Es ist eine verborgene Wirklichkeit. Wenn wir den Ausdruck „es wird gesät“ verwenden an Stelle „es wird begraben“, dann schwingt da etwas mit, was wir nicht sofort verstehen können. Was haben unsere Verstorbenen gesät in ihrem Leben? welche Frucht haben sie geerntet und welche Frucht ernten wir von dem, was sie uns hinterlassen? Was bleibt für uns?
Die Begrenzung des Lebens durch den Tod macht doch das Leben letztlich auch unendlich wertvoll. Und schließlich bleibt uns Christen die Hoffnung auf Gott. Es bleibt die Hoffnung, es bleibt die Liebe. Es bleibt der Glaube.
Es bleibt dieser rote Faden, der Liebe Gottes, der sich durch das ganze Leben zieht. Auch wenn wir es im Alltag kaum erkennen können. Im Leid und angesichts der Trauer ist es schier unmöglich wahrzunehmen. Erst in der Rückschau auf lange Jahre vielleicht ansatzweise, vielleicht nur stückweise zu erfassen. Ja, es bleibt vieles unverständlich, bleibt vieles verborgen. Wir können es nicht erklären. Und manchmal können wir’s schier nicht einmal glauben.
Trotz alledem strahlt aus diesen Worten des Paulus das Licht der Ewigkeit, der Glanz von Glaube, Liebe und Hoffnung.
Ganz anders
Es gibt da so eine Geschichte von zwei Mönchen, die sich immer wieder diese Frage gestellt haben: Was kommt nach dem Tod? Wie wird das sein bei Gott, im Paradies, auf der „anderen Seite“? Und sie haben es sich ausgemalt und überlegt und gefragt. Natürlich fanden auch diese beiden Mönche keine Antwort. Sie konnten es nicht verstehen.
Dann haben sie sich verabredet: der von ihnen, der als erstes stirbt, sollte dem anderen im Traum erscheinen und ein Wort sagen. Entweder das lateinische Wort „taliter“ – auf Deutsch soviel wie „so ist es“, „genauso“ (wie wir uns das vorgestellt haben). Oder das Wort „aliter“ – „anders“. Es ist anders, als wir es uns vorgestellt haben.
Schließlich stirbt der erste der beiden und erscheint tatsächlich dem anderen im Traum, und er sagt dann sogar zwei Worte, nämlich „totaliter aliter“ – „ganz anders“. Ganz anders als wir es uns vorstellen können, ganz anders als unsere Zweifel oder auch unsere Spekulationen es zeichnen könnten.
Aber auf jeden Fall mit Gott und seiner Liebe!
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe