Predigt Invokavit Hebräer 4,14–16
Predigt Invokavit Hebräer 4,14–16 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe I, Thema: Jesus, der Hohepriester.
Sonn-/Feiertag: Invokavit
Perikopenreihe: I
Predigttext Hebräer 4,14–16
14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis.
15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde.
16 Darum lasst uns freimütig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit.
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Predigt Invokavit Hebräer 4,14–16
Jesus, der Hohepriester
Liebe Gemeinde!
Müssen Predigttexte eigentlich immer so kompliziert sein? Ich habe diesen Text in der letzten Woche mit den Konfirmanden besprochen. Einige haben nach dem Lesen gesagt: „Ich habe überhaupt nichts kapiert.“ Und ich fürchte, es ist eben beim Vorlesen des Textes einigen von Euch ähnlich ergangen. Ich möchte den Text deshalb Vers für Vers mal durchgehen. Hoffentlich wird dann manches klarer.
Im ersten Vers wird Jesus als unser Hoherpriester bezeichnet. Zumindest denen, die öfters in der Bibel lesen ist diese Bezeichnung Jesu sicher vertraut. Aber was soll das bedeuten? Den ersten Lesern des Hebräerbriefes vor fast zweitausend Jahren war das sofort verständlich. Sie kannten aus ihrer Umwelt die vielen Tempel der Griechen und Römer, in denen es Priester und Hohepriester und Opfer gab. Sie konnten sich möglicherweise auch noch an den jüdischen Tempel in Jerusalem erinnern, der von den Römern zerstört wurde.
In diesem Tempel gab es in der Mitte ein „Allerheiligstes“. Dort wurde die Bundeslade mit den Tafeln der Zehn Gebote aufbewahrt. Dieses Allerheiligste durfte kein Mensch betreten, außer der Hohepriester und auch er nur einmal im Jahr, am sogenannten Versöhnungstag. Für die Menschen damals war klar: Auf Erden ist dieses Allerheiligste die Stelle der größten Nähe Gottes. Darum war es so heilig, darum war es auch so gefährlich sich diesem Ort zu nähern. Hier wohnte Gott. Und einmal im Jahr durfte der Hohepriester sich Gott nähern um für das Volk mit den Opfern Vergebung zu erwirken.
Wenn nun Jesus im Hebräerbrief als Hoherpriester bezeichnet wird, dann bezieht sich das auf den Hohenpriester im Tempel in Jerusalem. So wie er den Tempel durchschritt bis zum Allerheiligsten, so durchschritt Jesus den Himmel. So wie der Hohepriester bei Gott die Vergebung der Schuld und die Versöhnung erwirkte, so hat Jesus das auch getan. Soweit war dieses Bild für die Hebräer ganz klar. Aber es gibt nun ganz bestimmte Unterschiede zwischen dem Hohenpriester am Tempel und dem Hohenpriester Jesus.
Das Opfer des Hohenpriesters
Der Hohepriester bringt Gott die Opfer der Menschen dar um ihn gnädig zu stimmen. Jesus aber bringt sich selbst zum Opfer. Vielleicht steht der Predigttext gerade deshalb am Anfang der Passionszeit. In den nächsten Wochen bis Ostern erinnern wir uns ja ganz besonders an Jesu Leiden und Sterben. Das ist das Opfer, das Jesus bringt. Er geht als der Hohepriester selbst in den Tod und nimmt die gerechte Strafe für alle Fehler und Schuld der Menschen auf sich.
Dieses Opfer ist einmalig. Das Opfer im Tempel musste immer wieder vollzogen werden. Auch das ist ein wichtiger Unterschied. Für uns bedeutet das, daß wir es nicht mehr nötig ha-ben Gottes Gnade zu verdienen. Wir brauchen keine Angst mehr vor Gott zu haben. Gott liebt uns so wie wir sind und wir müssen nicht erst fehlerfrei sein oder alles richtig machen um in seine Nähe zu kommen.
Die Nähe Gottes
Eine andere Übersetzung unseres Predigttextes sagt statt „die Himmel durchschreiten“ „in die unmittelbare Nähe Gottes kommen“. Das ist es, was der Hohepriester im Tempel tat. Er kam im Allerheiligsten in die unmittelbare Nähe Gottes. Der größte Unterschied zwischen diesem Hohenpriester und Jesus ist aber, dass Jesus sozusagen den umgekehrten Weg geht aus der Nähe Gottes, aus dem Himmel macht er sich auf zu uns Menschen auf die Erde. Man könnte sagen, er hat die Nähe Gottes zu uns Menschen gebracht. Es ist nun nicht mehr nötig ein „Allerheiligstes“ zu haben, in dem die Nähe Gottes ist, das aber für die meisten Menschen nicht zugänglich ist. Gott ist uns nahe, wo wir gerade sind. Wir müssen uns nur für Gottes Nähe öffnen.
Eine Konfirmandin hat gesagt: „Ich finde, dass alle Menschen in die unmittelbare Nähe Gottes kommen sollten.“ Ein schöner Wunsch. Und er ist durch Jesus wahr geworden. So wie wir gleich in dem Lied nach der Predigt singen werden: „Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahe kommen kann“, aber Jochen Klepper, der dieses Lied geschrieben hat formuliert weiter: „Und doch bleibt er nicht ferne, ist jedem von uns nah. Ob er gleich Mond und Sterne und Sonnen werden sah, mag er dich doch nicht missen in der Geschöpfe Schar, will stündlich von dir wissen und zählt dir Tag und Jahr.“
Verständnis für Schwächen
In Jesus ist Gott uns immer nahe. Was das für uns bedeuten kann macht der zweite Vers deutlich. In Jesus ist Gott eben nicht der ferne Gott, der über allem thront, sondern er leidet mit uns in unserer Schwachheit. So sagt es der Text. Eine Konfirmandin hat dazu eine interessante Frage gestellt: „Wer hat denn kein Verständnis für unsere Schwächen?“ Im Grunde sollte man meinen, alle Menschen müssten füreinander Verständnis haben. Jeder hat doch seine Fehler und Schwächen. Aber es ist doch ganz oft so, dass man sie dem anderen nicht nachsehen will oder kann.
Schon als Kinder kennen wir Situationen, in denen wir uns wünschen, dass ein anderer uns etwas nachlässt, übersieht oder nicht übel nimmt. Unser Text nennt das im dritten Vers Gnade und Barmherzigkeit. Außer in der Kirche wird dieses Wort Gnade heute normalerweise nur in der Rechtsprechung benutzt. So kann unter bestimmten Umständen ein Verbrecher begnadigt werden. Das heißt, er bekommt seine eigentlich gerechte Strafe erlassen.
Früher, als es bei uns noch Könige und Fürsten gab, war die Vorstellung von der Gnade noch deutlicher. Mit Furcht und auch Hoffnung trat der Untertan vor den Thron des Herrschers und hoffte auf seine gnädige Zuwendung. Aber auch heute haben wir es immer wieder nötig einander gnädig zu sein. Wer Verständnis hat für menschliche Schwächen und Fehler, der wird sicher auch eher gnädig mit seinem Nächsten umgehen. In Jesus ist Gott uns so nahe gekommen, dass er auch Verständnis für unsere Schwachheit aufbringen kann.
Die Ferne Gottes
Es ist schön und gut, wenn wir uns in der Nähe Gottes wissen. Das kann das Leben reich machen. Es ist auch gut zu wissen, dass wir uns im Gebet immer an diesen nahen Gott wenden können. Aber manchmal scheint uns die Nähe Gottes doch auch eine Grenze zu haben. Es gibt auch Situationen im Leben, in denen uns Gott unendlich weit fern erscheint, in denen wir nicht verstehen, wie Gott handelt. In solchen Situationen an der Nähe Gottes festhalten ist nicht immer leicht. Aber auch wenn wir Gott unser Leid klagen, ja vielleicht sogar Gott anklagen, auch dann sind wir in seiner Nähe. Vielleicht sind wir ihm dann sogar näher, als in den Zeiten, in denen in unserem Leben alles glatt geht. Gott hat auch Verständnis dafür, wenn wir an unseren Grenzen angekommen sind und einfach nicht mehr können.
Auch Jesus ist an seine Grenzen gekommen, auch er ist versucht worden, wie es im Predigttext heißt. Ich habe ja eben die Versuchungsgeschichte vorgelesen, in der erzählt wird, wie Jesus vierzig Tage in der Wüste fastet und dann vom Teufel auf die Probe gestellt wird. Und wir kennen auch die Geschichte vom Gebet Jesu im Garten Getsemane, wo er versucht ist, einfach alles hinzuwerfen und wegzulaufen. Diese beiden Geschichten gehören zentral in die Fasten- und Passionszeit.
Fasten gegen unsere Schwäche
Auch in diesem Jahr fasten wieder etliche Menschen in unserer Gemeinde. Hat dieses Fasten etwas zu tun mit dem zweiten Vers des Predigttextes? Hat Fasten etwas zu tun mit unserer Schwachheit und der Versuchung? Ich denke schon. Viele von den Fastenden in unserer Gemeinde verzichten seit Aschermittwoch auf Süßigkeiten. Sie sagen, daß sie im übrigen Jahr immer wieder „schwach werden“ und deshalb viel zu viel schnauken. An so einer Stelle, eigentlich ja eine Kleinigkeit, kann man erfahren, wie sehr wir uns an liebgewordene Gewohnheiten hängen. Da wird heute soviel von der Freiheit geredet. Auch wenn man fastet kann man das hören. Eine Frau erzählte mir, dass ein Kollege sagte: „So ein Quatsch, wozu soll ich fasten? Ich bin ein freier Mensch, ich kann tun und lassen was ich will.“
Aber sind wir wirklich so frei? Wieviele Menschen sind eben gerade nicht fähig freiwillig auf etwas zu verzichten? Und da brauchen wir gar nicht auf die Drogenabhängigen und die Alkoholiker herabzublicken. Mal ehrlich, liebe Gemeinde, wieviele von uns hätten große Schwierigkeiten sieben Wochen auf Fernsehen zu verzichten? Oder manche würden es kaum schaffen mal sieben Wochen keinen Stress auf der Arbeit oder in der Familie zu haben. Oder wie wäre es damit, mal sieben Wochen mit niemandem zu streiten und für alle Menschen, denen man in dieser Zeit begegnet, Verständnis zu haben?
Einerseits bringt Fasten uns an unsere Grenzen, so wie Jesus in der Wüste. Und die Versuchung ist auch beim Fasten ständiger Begleiter. Aber es gibt kaum jemanden, der an der Fastenaktion teilgenommen hat, der nicht hinterher sagt, wie gut es ihm getan hat. Im bewussten Verzicht, in der bewussten Selbstbegrenzung liegt letztlich viel mehr Freiheit und Tiefe des Lebens, als im hemmungslosen Genuss. Auch wenn man in den sieben Wochen nicht alles durchhält, was man sich vorgenommen hat; das Wichtigste ist, dass wir bewusster leben, bewusster mit dem umgehen, was Gott uns schenkt, bewusster mit anderen Menschen zusammenleben und auch bewusster unseren Glauben leben.
Bewusster leben und glauben
In der Fasten- und Passionszeit können wir ein Stück weit nachvollziehen, dass Jesus tatsächlich mit unserer Schwachheit mitleidet und auch er versucht worden ist in allem, wie wir, doch ohne Sünde. Wir werden uns im Erfolg und erst recht im Versagen immer wieder unserer Schwachheit bewusst. Wir stoßen immer wieder an unsere Grenzen.
Und wie leicht geben wir auf, geben uns und andere auf. Jesus wurde schwach und auf die Probe gestellt, aber ohne Sünde. Das heißt, dass er in aller Schwachheit und Versuchung immer in der Nähe Gottes blieb. Das wünsche ich uns allen auch, ob wir fasten oder nicht, dass wir erfahren, dass Gott uns immer nahe sein will. Suchen wir die Nähe Gottes, ob im Gottesdienst in der Kirche, ob im Gebet oder im Fasten, ob in der Natur oder im Gespräch mit anderen Christen. Suchen wir die Nähe Gottes wenn es uns gut geht oder auch, wenn wir ihm unser Leid und auch unsere Vorwürfe klagen.
Das alles ist das, was im dritten Vers des Predigttextes gemeint ist mit dem Hinzutreten zum Thron Gottes, zu dem wir in Jesus freien Zugang haben. Und der Text endet mit einer großartigen Verheißung. Wenn wir Gottes Nähe suchen, dann werden wir Liebe und Erbarmen, Barmherzigkeit empfangen und Gnade, freundliche Zuwendung finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe