Predigt Rogate Johannes 16,23b–28(.29–32.)33

Predigt Rogate Johannes 16,23b–28(.29–32.)33 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe I, Thema: Beten und arbeiten. Gehalten im Gottesdienst am 14.05.2023 in Manderbach.

Sonn-/Feiertag: Rogate

Perikopenreihe: I

Predigttext Johannes 16,23b–28(.29–32.)33

23b Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er’s euch geben.
24 Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr empfangen, auf dass eure Freude vollkommen sei.
25 Das habe ich euch in Bildern gesagt. Es kommt die Stunde, da ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater.
26 An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde;
27 denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin.
28 Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater.

29 Sprechen zu ihm seine Jünger: Siehe, nun redest du frei heraus und nicht in einem Bild.
30 Nun wissen wir, dass du alle Dinge weißt und bedarfst dessen nicht, dass dich jemand fragt. Darum glauben wir, dass du von Gott ausgegangen bist.
31 Jesus antwortete ihnen: Jetzt glaubt ihr?
32 Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein lasst. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir.

33 Dies habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

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Predigt Rogate Johannes 16,23b–28(.29–32.)33

Abschied nehmen

Liebe Gemeinde!

Der Predigttext steht im Zusammenhang der Abschiedsreden Jesu. Jesus nimmt Abschied von seinen Freunden und Schülern. Immer wieder müssen Menschen Abschied nehmen. „Abschied nehmen ist ein bisschen wie Sterben.“ Bei einer Beerdigung sagen wir: Wir nehmen Abschied. Deshalb ist Abschied nehmen mit Angst verbunden: Was bleibt? Was verbindet uns noch weiterhin? Das sind auch Fragen, die Jesus in diesem Text anspricht.

Jesus wird die Jünger verlassen, verlassen müssen. Er wird ihnen durch den gewaltsamen Tod am Kreuz entrissen. Und die Jünger werden ihn in dieser schwersten Stunde allein lassen. Aber Jesus ist sich gewiss, dass er dennoch nicht allein ist. Und er verheißt den Jüngern, dass auch sie nach seinem Weggang nicht allein sein werden.

Allein lassen und doch nicht allein sein. Beides gilt in beiden Richtungen. Abschied nehmen und doch bleibt eine Verbindung. Das Stichwort, das Jesus hier dafür nennt ist Beten. Beten ist intensive Weise, in Verbindung zu kommen und selbst bei leiblichem Getrenntsein in Verbindung zu bleiben. Mit Jesus, mit Gott, aber auch mit den Menschen, für die wir beten.

Beten im Namen Jesu

Christliches Beten geschieht im Namen Jesu. Was heißt das?

Es geht vor allem um zwei Dinge: zum einen um die Angelegenheiten Jesu; Was ihm wichtig war, was er seiner Gemeinde wichtig gemacht hat, was in seinem Sinne ist. Zum anderen um die enge Verbindung mit ihm.

So stellt Beten in Jesu Namen uns in eine Gemeinschaft. Ein solches Gebet verbietet es Einzelnen oder Gruppen um ihre eigenen egoistischen Vorteile zu beten. Beten in Jesu Namen muss offen sein für die weltweite Ökumene, ihre Hoffnungen und Ängste, für die Anliegen und Leiden und Freuden anderer Menschen, hier und auf der ganzen Welt. Im Namen Jesu beten Menschen, betet die Kirche vor allem für einander, nicht zuerst für sich selbst.

Das Herzensgebet

Besonders in der orthodoxen Kirche hat sich seit alters eine Gebetspraxis entwickelt und gehalten, die bei uns fast vergessen ist, die Herzensgebet genannt wird. Im Herzensgebet geht es darum einen Gebetssatz immer und immer wieder zu wiederholen, so dass er vollkommen verinnerlicht wird. Dieser Satz lautet: „Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich über mich Sünder.“ Es ist eine Erläuterung des Namens Jesu: Gott hilft, das heißt: Gott erbarmt sich in Jesus über uns, egal, wer wir sind. Manchmal wird dieser Satz ganz verkürzt auf den Namen Jesu.

Diese Gebetspraxis mag uns auf den ersten Blick seltsam und vielleicht sogar anrüchig vorkommen. Wir sind es gewohnt alles mit dem Verstand zu machen. Als Jugendlicher wurde mir immer und immer wieder gesagt, dass man im Gottesdienst das Vater unser nur mitsprechen darf, wenn man es von vorne bis hinten Wort für Wort bewusst mitspricht. So gesehen ist die ständige Wiederholung dieses einen Satzes ein bloßes Plappern. Erst recht bedenklich wird es, wenn das Aussprechen des Namens Jesu sozusagen eine magische Bedeutung bekommt.

Recht verstanden geht es aber in dem Herzensgebet um die Verbindung zwischen dem Beten im Namen Jesu und dem Beten ohne Unterlass. Menschen, die das Herzensgebet praktizieren sagen, dass sie ihr ganzes Leben und die Menschen, die ihnen begegnen, mit anderen Augen sehen. Sie tragen beständig den Namen Jesu in Gedanken und sehen so die Dinge und die Menschen mit den Augen Jesu.

So verbindet sich für sie, was die Mönche mit den beiden Worten ora et labora beschrieben haben. Beten und Arbeiten. Das gehört zusammen. Aber nicht so, dass wir am Sonntag morgen beten und den Rest der Woche arbeiten. Vielleicht kann man es so sagen: betend arbeiten und im Arbeiten, mitten im Leben, beten. Beten und Arbeiten gehört zusammen. Paulus schreibt im Römerbrief: „Unser Leben sei ein Gottesdienst.“

Beten und Arbeiten

Eine Geschichte von Martin Buber:
„Einmal, am Vorabend des größten jüdischen Feiertages, versammelte sich die ganze Gemeinde des Rabbi Mosche Löb im Bethaus. Er hatte aber ein für allemal befohlen, dass man auf ihn niemals mit dem Beten warten solle. Darum stimmte man das Gebet ohne ihn an. Später erschien der Rabbi doch. Die Leute forschten nach, warum er so spät gekommen war und das so wichtige Gebet versäumt hatte, und erfuhren folgendes: Als der Rabbi zum Beten ging, hörte er unterwegs in einem Haus ein Kind weinen. Er ging hinein und sah, dass die Mutter zum Beten weggegangen war und das Kind allein gelassen hatte. Der Rabbi hatte Mitleid mit dem Kind und spielte mit ihm so lange, bis es müde wurde und einschlief. Erst dann ging er in die Synagoge, um das Gebet zu sprechen.“

Wer hat nun richtig gehandelt? Die Gemeinde, die in der Synagoge zum Gebet versammelt war oder der Rabbi, der bei dem Kind geblieben war? Ich denke, so einfach kann man das nicht unterscheiden. Es ist beides richtig und wichtig. Es ist gut Zeiten zum Gebet zu haben, in denen man sich auch ganz auf das Gebet konzentrieren kann, im Gottesdienst oder zu hause im stillen Kämmerchen. Aber auch Leben, Arbeiten, Dienst im Sinne Jesu, kann betend, als Gebet geschehen. Ora et labora, beten und arbeiten, das ist nicht voneinander zu trennen.

In der Welt habt ihr Angst

Unser Predigttext endet damit, dass Jesus von der Angst redet, die Menschen, auch Christen immer wieder umtreibt. In der Welt habt ihr Angst. Das griechische Wort, das hier benutzt wird, bedeutet: In der Welt werdet ihr gedrängt, gequetscht und aufgerieben. Jesus sagt hier, wie es ist, für den größten Teil der Weltbevölkerung.

Wer wirklich in der Welt lebt, wer sich nicht in eine abgeschottete Privatwelt flüchtet und nichts an sich heranlässt, wer beteiligt miterlebt, wie die Welt durchgeschüttelt wird, vernarbt, verbrennt, der hat Angst. Unweigerlich. Es bleibt keinem erspart. Wer mit wachen Sinnen und mitfühlendem Herzen in der Welt lebt, der hat Angst. Und das umso stärker, je besser er informiert ist und je mehr Sympathie er auch mit den Leidenden hat.

Soll uns der Glaube, das Gebet darüber hinweghelfen? Müssten Christen angstfreier leben? Ich denke nicht. „In der Welt habt ihr Angst“ – so stellt Jesus fest und so lässt er es stehen, ohne Wenn und Aber. Es ist eine Tatsache, der es sich zu stellen gilt, die ernstgenommen und ausgehalten werden will. Wie aber?

Es gibt Ängste, die lassen sich mit gesundem Menschenverstand angehen, durch Einordnen und Klarstellen und Informieren. Ängste vor Fremden, z. B., gespeist von Unkenntnis und Vorurteilen. Solche Ängste kann man korrigieren und heilen. Es gibt aber auch Ängste, die lassen sich so nicht angehen. Die Angst vieler Menschen etwa vor der Umweltzerstörung, die wir möglicherweise nicht in den Griff bekommen. Oder die Angst vor dem Tod, dem Tod eines geliebten Menschen oder dem eigenen.

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Überwindung der Angst im Gebet

In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, denn ich habe die Welt überwunden, sagt Jesus. Das ist der letzte Satz des Predigttextes über das Gebet. Angst haben, getröstet werden und beten, das hängt zusammen. Auch hier geht es um die Beziehungen. Jesus empfiehlt uns, nicht jeder und jede für sich allein mit unserer Angst zu kämpfen, sondern Verbindung zu suchen und zu pflegen, seelische und geistliche Verbindung.

Jesus empfiehlt uns zu beten und so Verbindung, Beziehung zu bekommen und zu behalten mit all den Menschen, die in seinem Namen beten. Verbindung mit Jesus, in dessen Namen wir beten und in Beziehung zu Gott, dem guten Vater, zu dem wir beten. In dieser Verbindung in und mit der christlichen Gemeinde ist die Angst nicht verschwunden, aber kann sie überwunden werden.

Segen ist ein besonderes Gebet

Und in dieser Verbindung geschah und geschieht immer wieder das, was auch Jesus in diesem Text tut: Er redet in der Sprache des Segens. „Bittet, so werdet ihr nehmen“ heißt es, nicht etwa „so wird euch gegeben“. „Ihr werdet nehmen – so reichlich, so beglückend – dass eure Freude vollkommen sei“. „Frei heraus“ werde bald Gottes Wahrheit verkündigt werden, und schon jetzt vertraut Jesus den Jüngern Verheißungsvolles an, „damit ihr in mir Frieden habt“.

Freude, Frei heraus, Frieden – Jesus spricht lauter Segensworte. Segnen ist eng verwandt mit Beten, eine andere gute und wichtige Weise, uns unseren Ängsten zu stellen und uns in Beziehung zu stellen. Andere segnen, sich von anderen segnen lassen, letztlich von Gott, das schafft Verbindung, die tiefer geht als manch anderes menschliches Wort.

Die segnen, die uns kostbar sind und teuer, die gefährdeten Menschen, die Flüchtenden, die Hilfesuchenden, die deren Leid zum Himmel schreit segnen: Auch das ist ein Tun im Geiste Jesu, in seinem Namen. Es ist ein segnender Jesus, der seinen Freunden die Hoffnung anvertraut: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Darum schließe ich diese Predigt, wie immer mit dem Segen:
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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