Predigt 3. Sonntag nach Trinitatis Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32

Predigt 3. Sonntag nach Trinitatis Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe IV, Thema: Wer sündigt soll sterben.

Sonn-/Feiertag: 3. Sonntag nach Trinitatis

Perikopenreihe: IV

Predigttext Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32

1 Und des Herrn Wort geschah zu mir:
2 Was habt ihr unter euch im Lande Israels für ein Sprichwort: »Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden«?
3 So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: Dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel.
4 Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter gehören mir so gut wie die Söhne; jeder, der sündigt, soll sterben.
21 Wenn sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben bleiben und nicht sterben.
22 Es soll an alle seine Übertretungen, die er begangen hat, nicht gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat.
23 Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?
24 Und wenn sich der Gerechte abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut Unrecht und lebt nach allen Gräueln, die der Gottlose tut, sollte der am Leben bleiben? An alle seine Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden, sondern wegen seines Treubruchs und seiner Sünde, die er getan hat, soll er sterben.
30 Darum will ich euch richten, ihr vom Hause Israel, einen jeden nach seinem Weg, spricht Gott der Herr. Kehrt um und kehrt euch ab von allen euren Übertretungen, damit ihr nicht durch sie in Schuld fallt.
31 Werft von euch alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt, und macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel?
32 Denn ich habe kein Gefallen am Tod dessen, der sterben müsste, spricht Gott der Herr. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben.

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Predigt 3. Sonntag nach Trinitatis Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32

Wer sündigt soll sterben

Liebe Gemeinde!

Was für ein Text. Wenn man diesen Text einmal liest oder hört, was bleibt dann im Gedächtnis? Jeder der sündigt soll sterben. Oder: bekehrt euch, so werdet ihr leben. Ich habe mal mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden über diesen Text gesprochen. Ich hatte den Eindruck, für euch war der Text auch nicht gerade einfach.

Eines jedenfalls war den Konfirmanden klar: Der Inhalt dieses Textes will uns sagen, dass, wenn man sündigt, man bestraft wird, aber wenn man seine Sünden bekennt und dazu steht wird man erlöst. Man sollte der Gemeinde sagen, dass sie nicht sündigen sollen. So hat es eine Gruppe geschrieben.

Aber was ist eigentlich Sünde? Die Konfirmanden haben genannt: Verbrechen, Drogenhandel, Geldgier. Wenn man an Verbrechen wie Mord oder Raub denkt, dann klingt die Aussage – jeder der sündigt, soll sterben – zwar hart und gnadenlos, aber irgendwie doch gerecht.

Eine Gruppe der Konfirmanden hat aber geschrieben: Der Vers, wer sündigt, soll sterben, gefällt uns nicht. Eine andere Gruppe sagte: Auch wenn man etwas Unrechtes getan hat, hilft Gott einem wieder zum Guten zurückzufinden.

Schwarz – weiß – so einfach?

Mich hat dieser Satz auf eine Spur gebracht, die ich weiterverfolgt habe. Auf den ersten Blick malt der Prophet Hesekiel hier ein einfaches Bild: Hier die Guten, da die Bösen, hier die Gerechten, da die Ungerechten. Schwarz – Weiß. Wie schnell hat man Menschen in dieses Schema eingeordnet; meistens natürlich die anderen.

Liebe Gemeinde, mal Hand aufs Herz: können Sie eindeutig sagen, dass Sie immer auf der guten Seite stehen? Also ich bin mir meiner selbst da nicht immer so sicher. Es hat mal jemand zu diesem Predigttext gesagt: Meistens komme ich mir weder schwarz noch weiß vor, sondern vielmehr grau.

Ich denke, das kommt der Wahrheit näher. Wenn ich kritisiert werde, wie leicht liegt mir dann der Satz auf den Lippen: So schlecht bin ich doch auch nicht. Und wenn ich etwas falsch gemacht habe, ist schnell gesagt: Jeder Mensch macht mal Fehler.

Ja, ich denke, so ist das, jeder macht mal Fehler. Aber wenn man einem anderen etwas angetan hat, wie auch immer, das ist meistens nicht so einfach abzutun. Da bleiben Kränkungen, ein fader Nachgeschmack.

Vergeben und vergessen: so einfach ist das meist nicht. Oft kommt nach Jahren wieder etwas hoch. Der hat damals hinter meinem Rücken über mich geredet. Die war damals schuld daran, dass ich… usw.

Schuld sind immer die anderen

Zur Zeit des Hesekiel hatten die Menschen sogar ein noch „besseres“ Gedächtnis. Sie sagten: Unsere Vorväter, die sind an allem schuld. Das war ja so bequem. Weil die vorigen Generationen gesündigt hatten, darum, so meinten sie, trifft sie das Unglück. So einfach ist das. Die sind schuld, ich bin reingewaschen und habe keine Verantwortung mehr. Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden.

Dieses Sprichwort aus der Zeit des Hesekiel ist verblüffend aktuell. Denken Sie nur an die Diskussionen um die sogenannte Kollektivschuld des deutschen Volkes an den Verbrechen des Dritten Reiches. Die Väter und Mütter haben die Schuld auf sich geladen und die Kinder und Enkel müssen sie bezahlen.

Oder wie oft werden heute Verhaltensweisen von Menschen damit erklärt, dass die Eltern in ihrer Kindheit etwas falsch gemacht haben.

Oder schauen wir auf die Umweltprobleme, die wir verursachen. Die nachfolgenden Generationen werden damit noch zu kämpfen haben. Der Müllberg vor unserem Ort wird auch noch da sein, wenn die Konfirmanden einmal ihre eigenen Kinder in den Konfirmandenunterricht schicken.

Die eigene Verantwortung

An diesen Zusammenhängen ist sicher etwas dran, aber es ist wohl doch zu einfach es dabei bewenden zu lassen: Die damals, die Eltern und Großeltern sind schuld, wir können nichts dafür. Hesekiel räumt in diesem Text gründlich mit den ewigen Schuldzuweisungen auf. Er sagt: So einfach dürft ihr es euch nicht machen. Jeder und jede ist für seine und ihre eigenen Taten verantwortlich. Und keiner kann sich aus der Verantwortung stehlen. So redet Hesekiel – hart und gnadenlos, aber irgendwie doch gerecht.

So weit so gut. Da kommen wir heute ja noch ganz gut mit. Wenn jemand mit Drogen handelt oder klaut oder einfach nur das prall gefüllte Sparkonto an der Steuer vorbei mogelt und wird erwischt, dann muss er auch die Suppe auslöffeln, die er sich selbst eingebrockt hat. So funktioniert das in unserer Gesellschaft.

Aber Hesekiel ist damit noch lange nicht am Ende seiner Weisheit: Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tod des Gottlosen, spricht Gott der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?

Hier sind sich Altes und Neues Testament, Hesekiel und Jesus ganz nahe. Wir haben eben in der Evangelienlesung das Wort Jesu gehört: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

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Buße und Umkehr

Liebe Konfirmanden, wenn ich jetzt weiter über Buße und Umkehr und über Gottlosigkeit und Freude im Himmel predigen würde; was würdet ihr dazu sagen? Das ist langweilig? Das will doch keiner wissen? Das hat doch nichts mit uns zu tun?

Buße und Umkehr, das sind alte Worte für eine aktuelle Sache. Für Christinnen und Christen hat das was mit Gott zu tun. Wir haben eben von Hesekiel gehört, dass jeder Mensch für seine eigenen Taten verantwortlich ist. Verantwortlich sind wir aber nicht nur den anderen Menschen, sondern auch Gott gegenüber. Das wird mit dem Wort Buße ausgedrückt.

Wie sieht das aber aus? Gott gegenüber kann es ein einfaches Gebet sein; wie im Vater unser: Vergib mir meine Schuld. Aber unseren Mitmenschen gegenüber?

  • Da sind zwei sich seit Jahren spinnefeind und reden nicht einmal mehr miteinander obwohl keiner so recht weiß warum. Wie schwer ist es dann wieder aufeinander zu zu gehen und sich zu versöhnen.
  • Da ist ein Junge, der dem anderen helfen wollte für die nächste Mathearbeit zu lernen. Er hat es einfach vergessen und ihn im Stich gelassen. Wie wird es sein, wenn sie sich wieder begegnen? Vorwürfe und Rechtfertigungen oder ginge es vielleicht besser mit: Verzeih mir.
  • Da hat sich einer über den anderen geärgert, aber der konnte gar nichts dafür. Einfach ist es, alles einfach laufen zu lassen, aber offen darüber zu reden, das kostet Kraft. Vielleicht ist dann aber hinterher beiden wohler.

Aufeinander zugehn

Hesekiel ist wohl der Meinung, wir sollten es mal so versuchen, mit Umkehr. Aber auch wenn wir uns die größte Mühe geben: Unseren Mitmenschen gegenüber werden wir wohl kaum jemals eine ganz weiße Weste haben. Wir werden immer ein wenig grau bleiben. Wenn wir aber die Gewißheit haben, dass Gott sich mehr freut über einen, der umkehrt, als über 99 Gerechte und dass seine Liebe zu uns größer ist als der größte Fehler, den wir machen können, dann können wir trotz allem fröhlich leben und vielleicht haben wir dann auch die Kraft neue Wege zu gehen: miteinander reden, aufeinander zu zu gehen.

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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