Predigt 2. Sonntag nach Epiphanias 1. Korinther 2,1–10

Predigt 2. Sonntag nach Epiphanias 1. Korinther 2,1–10 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe IV, Thema: Geheimnis des Glaubens. Gehalten im Gottesdienst am 16.01.2022 in Liebenscheid und Neukirch.

Sonn-/Feiertag: 2. Sonntag nach Epiphanias

Perikopenreihe: IV

Predigttext 1. Korinther 2,1–10

1 Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen.
2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.
3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;
4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft,
5 auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.
6 Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen.
7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit,
8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
9 Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jes 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«
10 Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.

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Predigt 2. Sonntag nach Epiphanias 1. Korinther 2,1–10

Zentrum: Das Kreuz

Liebe Gemeinde!

Paulus hat in der griechischen Stadt Korinth das Evangelium mit Furcht und Zittern verkündigt. Solle ich nicht hier auf der Kanzel genauso stehen? Mit Furcht und Zittern vor der Aufgabe, die gute Botschaft unseres Gottes zu predigen?

Warum habe ich diese Angst nicht? Warum fällt es uns heute so verhältnismäßig leicht, über den Glauben zu reden? – Zumindest in einer Kirche. Das wird ja auch nicht anders erwartet. Dass das Kreuz das (!) Symbol unseres Glaubens ist, das ist „normal“.

Wir sind seit 2000 Jahren an das Kreuz gewöhnt. Damals war das anders. Über eine Kreuzigung zu sprechen war ein Tabu sondergleichen. Kein Wunder, dass Paulus bei den Korinthern mit Furcht und Zittern darüber spricht.

Ich habe vor ein paar Tagen (2022) das Gespräch des katholischen Bischofs von Augsburg mit zwei Opfern von Missbrauch durch Priester und Mitarbeiter der Kirche gesehen. Eines der Opfer konnte den Anblick des Kreuzes, das der Bischof auf der Brust trug, nicht ertragen. Sie war von ihren Vergewaltigern mit einem Holzkreuz geschlagen und gefügig gemacht worden.

Verständlich, dass das Kreuz sie mit Grauen erfüllte – oder? Wir spüren aber in diesem Vorgang ein klein wenig von dem Anstoß des Kreuzes, den die Predigt des Apostels vor 2000 Jahren hervorrief.

Wir tragen Kreuze um den Hals, haben sie in der Kirche stehen. Kreuze stehen auf den Friedhöfen und hängen immer noch in vielen Amtsstuben. Wer von uns hat nicht irgendwo im Haus ein Kreuz? Meist sind unsere Kreuze wie Schmuck, schön gefertigt, wertvoll, vielleicht sogar aus Gold.

Ich habe nichts gegen ein Kreuz als Schmuck oder in der Wohnung. Aber das Kreuz sollte uns als Gläubige daran erinnern, wofür es wirklich steht!

Paulus sagt im Predigttext, dass das Zentrum seiner Predigt nur eines ist – bzw. einer: Jesus Christus, der Gekreuzigte! Was sagte er damit? Und was hörten damals die Menschen in Korinth? Paulus sagt:

  • Unser Gott ist ein Mensch! Die Korinther denken: Dann ist er doch gar kein Gott!
  • Unser Gott ist schwach! – Nein, Götter sind stark!
  • Unser Gott stirbt! – Ein richtiger Gott kann doch nicht sterben!
  • Unser Gott stirbt sogar wie ein Verbrecher am Kreuz! – Mann, das ist ja eklig! Gott ist doch vollkommen!

Hören wir eigentlich noch, was Paulus hier wirklich sagt?

Weisheit dieser Welt

Was Paulus zu verkündigen hat ist ein unglaublicher Gegensatz zu dem, was die Korinther am liebsten hörten: Sie wollten lieber hohe Weisheit hören. Sie liebten die Philosophie und auch die Theologie (was damals eng zusammenhing).

Paulus nennt das etwas verächtlich: Menschenweisheit, Weisheit dieser Welt, überredende Worte. Wie sollen wir das verstehen? Habe ich umsonst Theologie studiert? Ist es überflüssig, dass sich kluge Christinnen und Christen Gedanken darüber machen, was unser Glaube beinhaltet und wie wir unseren Glauben leben sollen? Sollen wir etwa nicht gründlich darüber nachdenken und die Bibel lesen und mit anderen Christen darüber reden – vielleicht sogar streiten um den richtigen Weg?

Doch! Das ist wichtig und notwendig! Auch Paulus hat in seinen Briefen ja viel mehr erklärt und sehr tiefgründig theologische Weisheiten vertreten! In Athen hat er sich sogar auf philosophische Diskussionen eingelassen und griechische Philosophen zitiert, wie wir in der Apostelgeschichte erfahren.

Glaube und Weisheit sind genauso wenig Widersprüche, wie Glaube und Wissenschaft! Wir brauchen Weisheit und Wissenschaft und Theologie um gut und richtig zu leben.

Das Kreuz und die Weisheit

Und doch ist das alles nur „Drumherum“. Es ist wichtig, aber nicht das Zentrum!

Das Kreuz ist das Zeichen dafür, dass alle Vernunft, Rationalität, Weisheit etwas Vorläufiges haben, wir sind noch nicht am Ziel. Und es gibt keine Abkürzung: Die Versuchung ist groß, am Kreuz vorbei Christ zu sein. Zu grausam, zu unlogisch, vielleicht sogar zu zufällig scheint das alles, und doch steht eben jenes Kreuz auf Golgatha, so lange die Erde sich dreht.

Weil das Kreuz im Zentrum steht, ist und bleibt unser Glaube ein Geheimnis! Das ist alles so seltsam und doch scheint es damals in Korinth für viele Menschen überzeugend gewesen zu sein. So auch noch heute. Erklären lässt sich das nicht wirklich.

Das ist wie mit den Wundern unseres Lebens: Geburt, Schönheit, Musik, Liebe, Freude… können noch so sehr wissenschaftlich erklärt werden – wenn sie sich ereignen, sind sie ein Geheimnis.

Wenn du dein neugeborenes Kind zum ersten Mal in den Armen hältst, dann passiert etwas, das mit Biologie, Psychologie etc. nicht ausreichend erklärt wird. Versuch es einmal umgekehrt: Lies dir diese wissenschaftlichen Erklärungen durch und versuch dann das Gefühl zu empfinden… Funktioniert nicht!

So ist das auch mit dem Glauben. Ich strample mich seit Jahrzehnten ab – studierte Theologie, habe mehrmals die Bibel von vorne bis hinten durchgelesen, lese Kommentare, halte unzählige Predigten… Und doch habe ich immer noch und immer wieder das Gefühl, dass das nicht ausreicht, dass ich das Geheimnis mit meinen Worten nicht ausdrücken kann.
Klar: Geht ja auch nicht!

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Geheimnis des Glaubens

Geheimnis des Glaubens: Deinen Tod verkünden wir, deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.

Im Religionsunterricht haben mich die Schüler mal gefragt: Glaubst du das? Als ich bejahte, erntete ich ungläubiges Staunen, nach dem Motto: Das ist ja schon ein bisschen seltsam. So erging es auch Paulus. Aber die „Schwachheit“ der Rede des Paulus liegt nicht darin, dass er nicht fähig wäre sich gewählt auszudrücken oder dass er stottert und stammelt. Die Schwachheit liegt in der Schwachheit des Kreuzes.

Auch mit klugem Nachdenken und wohlgesetzten Worten kann man dieses Geheimnis verkündigen, aber es bleibt ein Geheimnis:

Gott wird Mensch, bis zum Tod am Kreuz.

Und doch: welche Weisheit liegt darin: Nicht die Weisheit der Welt, die meint alles aus sich selbst heraus erklären zu können, nicht die Stärke, die in unserer Welt zu herrschen scheint. Nein! Sondern:

  • die Schwachheit hat auch noch eine Zukunft.
  • nach Fehlern neu anfangen zu dürfen.
  • wenn man ganz unten ist noch hoffen zu können.

„Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.“

Wenn ich auf Jesus am Kreuz blicke, dann sehe ich in diesem Spiegel meine eigene Mut- und Hilflosigkeit angesichts der Grausamkeiten der Welt. Wenn ich auf Jesus am Kreuz blicke, dann sehe ich durch ihn hindurch das Leid der Welt und die Menschen, die es erdulden müssen.

Wenn ich auf Jesus am Kreuz blicke, dann sehe ich das Geheimnis der Liebe Gottes zu uns Menschen!

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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