Predigt 17. Sonntag nach Trinitatis Jesaja 49,1-6

Predigt 17. Sonntag nach Trinitatis Jesaja 49,1-6 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe IV, Thema: Wer ist der Gottesknecht. Gehalten im Gottesdienst am 09.10.2022 in Manderbach.

Sonn-/Feiertag: 17. Sonntag nach Trinitatis

Perikopenreihe: IV

Predigttext Jesaja 49,1-6

1 Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merkt auf! Der Herr hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war.
2 Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt.
3 Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will.
4 Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz. Doch mein Recht ist bei dem Herrn und mein Lohn bei meinem Gott.
5 Und nun spricht der Herr, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde – und ich bin vor dem Herrn wert geachtet und mein Gott ist meine Stärke –,
6 er spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde.

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Predigt 17. Sonntag nach Trinitatis Jesaja 49,1-6

Die Gottesknechtslieder

Liebe Gemeinde,

dieser Text gehört zu einer Reihe von Texten aus dem Buch des Propheten Jesaja, die wir die Gottesknechtslieder nennen. Es geht in diesen ganzen Texten darum, dass Gott sich jemanden auserwählt hat, den er zu seinem Knecht berufen hat.

Vielleicht denken wir dabei eher an einen Stallknecht auf einem Bauernhof, aber hier ist es mehr. So etwas wie ein Bote oder noch mehr. Jemand, der den Willen Gottes ausrichtet.
Diese Texte sind sehr lyrisch verfasst, wenn man sie im hebräischen Original liest, dann merkt man das eine Liedform haben, als ob sie gesungen worden sind. Deshalb die Bezeichnung „Gottesknechtslieder“.

Viele Menschen, die die Bibel lesen, viele Pfarrer und viele Theologinnen an der Universität haben sich über lange Zeit Gedanken darüber gemacht, wer denn eigentlich mit diesem Gottesknecht gemeint ist. Es gibt da ganz viele verschiedene Möglichkeiten der Auslegung, was damals Jesaja damit gemeint haben könnte.

Man hat zum Beispiel überlegt, ob er sich selbst als der Gottesknecht verstanden hat, dass der Prophet derjenige ist, der das Volk wieder auf den Weg Gottes zurückbringen will. Es wurde auch vermutet, es könnte der persische König Kyros sein. Es heißt ja in der Bibel immer wieder, dass er Gottes Werkzeug gewesen ist, um Israel aus der babylonischen Gefangenschaft zurück in die Heimat zu bringen.

Das Volk Israel als Gottesknecht

Wer auch immer ursprünglich gemeint war, auf jeden Fall, hat das Volk Israel sehr schnell diese Texte auf sich als Volksganzes bezogen. Das ganze Volk Israel ist der Gottesknecht. Das passt in dem Text auch, wenn es zum Beispiel in Vers drei heißt: „Er sprach zu mir, du bist mein Knecht, Israel.

Heute hat dieser Text in dieser Interpretation als Volk Israel wieder sehr aktuelle Bedeutung erlangt. Das Volk Israel versteht diesen Aufruf zur Sammlung des Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft, aus dem Exil, aus der Zerstreuung in der Welt. Heute ganz konkret als Ereignis der Gründung des Staates Israel. Fromme Juden verstehen das heute als Gottes Weg mit dem Volk Israel; Gott habe das Volk wieder gesammelt und Israel habe einen göttlichen Auftrag für unsere Welt. Für gläubige Juden ist klar, dass dieser uralte Text – 2500 Jahre alt -, etwas damit zu tun hat, was in Israel in unserer Zeit passiert ist.

Wir Christen sind da etwas vorsichtiger. Wir können das nicht so direkt gleichsetzen, aber wir können uns dem auch nicht ganz entziehen, denn auch für uns ist eindeutig, dass das Volk der Juden Gottes auserwähltes Volk ist. Das heißt nicht, dass der Staat Israel keine Fehler machen könnte. Ich denke ihr habt alle vor Augen, schwierig und verwickelt die Situation im Nahen Osten ist. Dennoch haben wir Christen aus unserer Heiligen Schrift auch des neuen Testaments mit den Juden zusammen zu hoffen, zu beten, dass es Frieden gibt – für Israel und für die Palästinenser und den ganzen Nahen Osten.

Der Einzelne als Gottesknecht

Es ist auch möglich, in dem Gottesknecht einen einzelnen Menschen zu sehen, sei es damals der Prophet selbst oder einzelne Israeliten, wenn es um sozusagen biografische Aussagen in dem Text geht: dass Knecht im Mutterleib berufen wurde, dass er einen Auftrag von Gott bekommt und auch – wie es im Text beschrieben wird – das Gefühl gescheitert zu sein.

Wenn wir dann den persönlichen Zuspruch des Vertrauens Gottes in seinen Knecht hören und sehen, wie der Prophet neuen Mut und einen neuen Auftrag von Gott bekommt: das Licht der Völker zu sein, dann kommt dieser Text auch ganz persönlich zu uns, zu jedem einzelnen von uns, die wir heute hier sind. Dann spricht der Text ganz persönlich für uns.
Wahrscheinlich ist es jedem von uns schon so gegangen, dass wir das Gefühl hatten: Ich arbeite vergeblich. Das kann in jedem Leben einmal passieren, ob es um den Beruf geht, oder ob es um die Familie geht oder um bestimmte Abschnitte unseres Lebens.

Das kann uns auch passieren, wenn wir uns fragen, warum arbeiten wir eigentlich im Kirchenvorstand, als Organist oder als Küster oder in einem Ehrenamt in der Kirche. Wir versuchen doch alles um die Menschen zu erreichen und trotzdem ist die Kirche meistens halb leer. Warum sind die Reihen nicht gefüllt? Ist alles vergeblich, was wir tun, als Gemeinde und persönlich als Christen und Christinnen.

Oder auch im alltäglichen Leben. Wenn sich junge Menschen bemühen, um einen Ausbildungs- oder einen Arbeitsplatz. Wenn jemand arbeitslos wird. War denn alles vergeblich, was ich bisher geleistet habe in meinem Leben? Oder in der Begleitung von kranken Menschen, wenn es keine Besserung gibt? Wenn man vielleicht sogar auf Ablehnung stößt, obwohl man doch helfen möchte?

„Ist denn alles vergeblich gewesen?“ So fragt sich auch dieser Gottesknecht im Jesajabuch.

Wenn wir den Predigttext für uns persönlich lesen, dann finden wir aber auch einen ungeheuren Zuspruch von Gott. Da ist zum einen der Gedanke: der Mensch wächst mit seinen Aufgaben. Gott sagt zu dem Gottesknecht: Du bist nicht gescheitert, ich traue dir sogar noch mehr zu. Es ist nicht genug, dass ich dir nur die Sammlung Israels aufgetragen habe, sondern du sollst auch das Licht für alle anderen Völker der Welt werden. Du sollst das Evangelium, die gute Botschaft Gottes in die Welt tragen und so bekommt der Knecht Gottes sogar diesen viel weitergehenden Auftrag, obwohl er selbst den Eindruck hat, versagt zu haben. Auch wir sind von Gott nicht zur Bequemlichkeit oder zum Rückzug berufen, sondern als Zeugen für sein Heil und vor allem für seine Liebe zu allen Menschen.

Schließlich gibt es in dem Text auch den Zuspruch, dass Gott das Vertrauen in uns hat, dass wir das tatsächlich können. Das ist wohl das größte ist an diesem Text. Gott hält an seinem Knecht fest, auch wenn der meint, er sei gescheitert. Welcher Chef hält so an einem anscheinend unfähigen Mitarbeiter fest? Gottes Vertrauen in uns ist schier grenzenlos und darauf können wir uns verlassen.

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Jesus als Gottesknecht

Eine weitere Interpretation der Gottesknechtslieder und wer der Gottesknecht ist, gibt es im Neuen Testament. Die ersten Christen waren Juden, die diese Texte aus Jesaja kannten. Sie haben sofort gemerkt: da passt etwas. Da passt etwas zusammen mit dem Leben Jesu, mit dem, was Jesus gesagt hat, und mit seinem Ende am Kreuz. Die Christen haben diesen Gottesknecht in Jesus gesehen. Jesus ist dieser eine Gottesknecht, den Gott beauftragt hat, seine Liebe in die Welt zu bringen. Das hat er getan durch sein Reden, durch seine Taten. Damit bringt er ein Stückchen heile Welt in unsere doch oft so schwierige und katastrophale Welt.

Auch das haben die Christen gesehen. Jesus scheint am Ende seines Lebens gescheitert zu sein, da ist dieses Kreuz, einen schmählicher Tod. Die Gewalt scheint gesiegt zu haben. Jesus ist untergegangen als Verbrecher, hingerichtet am Kreuz. Wie kann aus einem solchen offensichtlich nach den Maßstäben der Welt gescheiterten Leben noch etwas wachsen. Liebe Gemeinde, das funktioniert nur durch Gottes Kraft. Sein Weg mit seinem Sohn war noch nicht zu Ende. Wie es im Vers 6 im Predigttext heißt: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist. Ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht.

Dafür ist der Ostermorgen, die Auferweckung das Zeichen; das Zeichen für den verborgenen Sieg Gottes über Gewalt, Leiden, Krankheit und Tod. Es ist für uns nicht offensichtlich, es ist eine Sache des Glaubens, aber für den Glaubenden ist das eine unerschöpfliche Kraft, die uns auch Kraft geben kann, wenn wir heutzutage die Nachrichten schauen, wenn wir in unsere Welt blicken, wie alles drunter und drüber geht.

Wie oft habe ich in den letzten Wochen von Menschen gehört, die gesagt haben: Wo soll das alles nur noch hinführen? Sind wir gescheitert? Sind wir gescheitert mit den Friedensbemühungen? Sind wir gescheitert, mit Abrüstung? Sind wir gescheitert, mit wirtschaftlichem Aufbau? Sind wir gescheitert am Wohlstand?

Wir können Kraft gewinnen aus dem Glauben daran, dass Gottes Auftrag an uns Bestand hat. Und wir können Kraft gewinnen daraus, dass im vermeintlichen menschlichen Scheitern, Gott immer noch Möglichkeiten sieht, und dass er an uns festhält, dass er uns nicht aufgibt, dass er uns immer wieder Kraft und Mut gibt, in den neuen Tag zugehen.
Dieser Predigttext will uns also Mut machen; Mut machen, darauf zu vertrauen. Auch wenn nach menschlichen Maßstäben alles nach unten geht und zu scheitern droht – Gott ist immer noch auf dem Plan. In Jesus hat Gott die Gewalt und den Tod besiegt, noch nicht offensichtlich, aber wirksam.

Deshalb kann er allem Anschein zum Trotz auch noch Frieden schaffen. Frieden schaffen in Israel und auch Frieden schaffen in der Ukraine und an den vielen anderen Orten unserer Welt. Deshalb kann er allem Anschein zum Trotz auch neue Wege zeigen. Neue Wege, wenn wir das Gefühl haben, Energiekrise und Naturkatastrophen – Der Klimawandel scheint alles kaputt zu machen. Deshalb kann der Text allem Anschein zum Trotz auch neue Wege zeigen, wenn wir mit unserer Kraft am Ende sind. Wenn wir vor aussichtslosen Situationen stehen, krank sind oder in Trauer. Deshalb können wir auch immer wieder neue Kraft finden, Gottes Liebe in unserem Leben weiter zu tragen.

Das ist unser Auftrag, aber nicht mit unserer eigenen Kraft, die, wie wir alle wissen, endlich ist und auch im Alter langsam nachlässt, aber es ist sein Auftrag an uns, und er gibt uns die Kraft dazu.

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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