Predigt 19. Sonntag nach Trinitatis Epheser 4,22-32

Predigt 19. Sonntag nach Trinitatis Epheser 4,22-32 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe II, Thema: Leben aus der Taufe. Gehalten im Gottesdienst am 23.10.2022 in Sechshelden.

Sonn-/Feiertag: 19. Sonntag nach Trinitatis

Perikopenreihe: II

Predigttext Epheser 4, 22–32

22 Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierden zugrunde richtet.
23 Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn
24 und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.
25 Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind.
26 Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen
27 und gebt nicht Raum dem Teufel.
28 Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann.
29 Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es hören.
30 Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung.
31 Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit.
32 Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.

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Predigt 19. Sonntag nach Trinitatis Epheser 4,22-32

Achtung Sünde!

Liebe Gemeinde!
Das ist doch mal ein toller Predigttext. Der Text sagt uns ja mal so richtig die Meinung. Jetzt könnte ich mal so eine echte Sündenpredigt halten: Lügen ist böse! Redet die Wahrheit! Zorn ist böse! Versöhnt Euch miteinander! Nicht stehlen, dafür aber schaffe, schaffe, Häusle baue! Spendet großzügig! Tratsch und Klatsch sind böse! Seid lieber lieb und nett und natürlich müsst Ihr alles vergeben, was Euch angetan wird.
So hört es sich doch an in diesem Predigttext.

Ein Tauftext?

Ich möchte den Text aber mal aus einer ganz anderen Sicht anschauen. Es ist vielleicht nicht ganz offensichtlich, aber unter der Oberfläche gibt es ein ganz spezielles Thema. Dieses Thema ist „Taufe“. Deshalb möchte ich den Text gerne unter der Frage betrachten: Was macht die Taufe mit uns?

Aber wie komme ich darauf, dass es hier um die Taufe geht? Es gibt dafür einige Hinweise im Predigttext und auch in den Abschnitten davor. Wenn es zum Beispiel heißt: „Zieht den neuen Menschen an“, dann geht es dabei um die Taufe. An anderen Stellen wird die Taufe damit verglichen, dass der Mensch dabei seine Kleider wechselt. Wenn wir dabei an ein Taufkleid denken, dann ist das gar nicht so verkehrt. Die weißen Kleider eines Täuflings sollen die Reinheit und Vergebung, die durch die Taufe geschaffen wird, verdeutlichen. Auch wenn es in Vers 30 heißt, dass wir mit dem Heiligen Geist versiegelt sind, dann ist dies eine Anspielung auf die Taufe.

Wir sind neue Menschen

Der Text beruht auf dem Gedanken, dass die Taufe aus uns neue Menschen macht. Natürlich ist das nicht äußerlich sichtbar, aber in Gottes Sichtweise ist das von großer Bedeutung. Er schaut uns an mit Augen der Liebe. Für Gott sind wir „geschaffen in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ – so heißt es in Vers 24. Deshalb sollen – besser gesagt können – wir als neue Menschen leben.

Der Predigttext ist ein sogenannter Tugend- und Lasterkatalog. Solche Texte gibt es in den Briefen des neuen Testaments öfter. Sie konkretisieren, wie sich Christinnen und Christen in ihrem alltäglichen Leben verhalten sollten. Diese Texte sind meist ziemlich zeitgebunden und wirken deshalb für uns heute nach 2000 Jahren manchmal sehr altertümlich oder bieder. Es geht dabei also nicht darum, alles wortwörtlich zu verstehen, sondern zu erkennen, dass das neue Leben aus der Taufe Veränderung bewirkt. Wie das konkret aussieht, darüber müssen wir nachdenken und darüber müssen wir reden.

Es geht um Werte

Solche Tugend- und Lasterkataloge will doch heute keiner hören und doch spielen sie eine so große Rolle – damals wie heute. Es wird oft über die Werte gesprochen. Jetzt gerade über die Werte und die Kultur des Westens mit seiner demokratischen Ordnung. Oder im Blick auf den Ukrainekrieg auch über die Werte der Menschenrechte, des Friedens, der Gerechtigkeit. Auch wir Christen reden viel über Werte – über christliche Werte. Dabei denken wir wohl zuerst an die Nächstenliebe, aus der sich viele konkrete Schlüsse ziehen lassen für den Umgang mit anderen Menschen; mit Flüchtlingen zum Beispiel.

Von mir als Pfarrer wird vielfach erwartet, dass ich für diese Werte einstehe. Ich soll sagen, was richtig ist. Und ich soll protestieren gegen das, was falsch ist. Macht aber doch selbst mal die Probe: Was, wenn ich Euch sage, was Ihr zu tun habt. Oder – vielleicht noch schlimmer – das, was Ihr tut, sei falsch! Die erste Reaktion wäre wohl: „Ey, Pfarrer, guck erst mal auf dich selbst. Du machst auch net alles richtig.“ Das ist wohl wahr.

Was du nicht willst, das man dir tu…

Wie können wir aber damit umgehen? Wir merken doch immer wieder, dass wir selbst an unseren eigenen – christlichen – Ansprüchen scheitern. Vielleicht gehen wir das Problem einfach von der falschen Seite an. Drehen wir es mal um: Was erwarten wir denn von anderen. Wie sollen sich andere uns gegenüber verhalten?

  • Wollen wir belogen werden?
  • Wollen wir, dass andere uns im Zorn begegnen?
  • Wollen wir, dass wir bestohlen werden?
  • Wollen wir, dass andere über uns lästern und Gerüchte verbreiten?

Mit diesen Fragen kommen wir zu einer altbekannten Redewendung: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andren zu. Das ist eine einfache Lebensweisheit, die sich schon auf Jesus berufen kann. So wird ein Schuh draus. Es geht nicht darum, dass wir heute neue Tugend- und Lasterkataloge aufmachen und den Menschen sagen, was richtig und was falsch ist. Das haben wir Christen und Christinnen in den letzten 2000 Jahren viel zu oft gemacht. Das macht auch heute die Kirche noch viel zu oft, wenn sie versucht, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.

Der Balken und der Splitter

Problematisch wird das nämlich immer dann, wenn derjenige, der ein bestimmtes Verhalten fordert, selbst dabei erwischt wird, was er alles falsch macht. Das trifft uns als einzelne Menschen, auch einen Pfarrer, und das trifft uns auch als Kirche. Wir sehen das seit langer Zeit ganz besonders an den schlimmen Verfehlungen der Kirchen im Umgang mit Missbrauch und sexueller Gewalt. Ja, ich weiß, es geht meist um die katholische Kirche, aber auch unsere evangelische Kirche hat genug dabei aufzuarbeiten.

Auch in diesem Zusammenhang sollten wir uns an ein Jesuswort erinnern: Kümmere dich nicht zuerst um den Splitter im Auge deines Mitmenschen, sondern zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge. Wir sollten also wirklich heute als Gläubige mit Tugend- und Lasterkatalogen sehr vorsichtig sein. Vielmehr geht es darum, wenn uns ein solcher Predigttext aufgegeben ist, auf uns selbst zu schauen und uns zu fragen: „Wie kann ich dem Glauben gemäß leben?“

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Leben aus der Taufe

Wenn wir uns so fragen, dann können wir aus der Taufe als neue Menschen Gottes leben. Nicht immer perfekt, aber immer unterwegs mit Gottes Liebe. Wir wissen, dass wir immer wieder Vergebung benötigen und unser Tun korrigieren müssen. Wir wissen aber auch, dass Gott uns in der Taufe versprochen hat, dass er bereit ist zu vergeben und uns auf guten Wegen zu führen.

Deshalb ist am Ende des Textes noch mal die Rede von der Versiegelung mit dem Geist Gottes. Auch das ist eine Beschreibung der Taufe und auch das ist eine Zusage, die Gott uns gibt. Wir sind mit der Frage, wie wir richtig leben sollen, nicht allein. Er schenkt uns seinen Heiligen Geist als Ratgeber.

Gott will, dass wir die Menschen werden, die wir durch die Taufe schon sind. Es ist also hier kein hoher Anspruch gestellt, sondern ein Zuspruch, den wir durch die Taufe erfahren: Du Mensch bist von Gott geliebt. Du kannst dein Leben auf Gott ausrichten. Du kannst dich verändern. Du kannst gut mit anderen zusammen leben.

Du kannst!!!!!

Damit sagt Gott ein großes Ja über unser Leben – in der Taufe!

Und schauen wir zum Schluss noch mal kurz auf die positiven Begriffe im Predigttext, die den Zuspruch der Taufe verdeutlichen: Da ist die Rede von Gerechtigkeit und Heiligkeit, von Wahrheit, Segen und guter Rede, von Erlösung und Vergebung. Und ganz zum Schluss: Seid untereinander freundlich und herzlich. Das ist doch wunderbar – oder?

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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