Predigt Reformationsfest Matthäus 5,1–10(11–12)
Predigt Reformationsfest Matthäus 5,1–10(11–12) von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe V, Thema: Reformationsfest oder Halloween?
Sonn-/Feiertag: Reformationsfest
Perikopenreihe: V
Predigttext Matthäus 5,1–10(11–12)
1 Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg. Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.
2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen.
12 Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.
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Predigt Reformationsfest Matthäus 5,1–10(11–12)
Reformationsfest oder Halloween?
Liebe Gemeinde!
Ist heute Reformationsfest oder Halloween? Ich vermute, dass viele von uns völlig entrüstet und voller Überzeugung sagen würden: „Natürlich ist heute Reformationstag! Dieses Halloween nervt doch nur und ist total unchristlich!“ Wenn wir aber in die Zeitungen und ins Internet, in die Geschäfte und heute Abend auf die Straßen schauen, dann sieht das anders aus. Wir, die wir Reformationsfest feiern, sind offensichtlich in der Minderheit. Auch bei uns im Dorf feiert die Dorfjugend heute Abend eine Halloween-Party und wird wohl kaum in der Kirche zu sehen sein.
Vor vielen Jahren habe ich auch gegen Halloween Stellung bezogen. Ich habe sogar Leserbriefe an die Zeitung und Artikel auf meinem Blog dazu geschrieben. Heute sehe ich das etwas anders. Warum habe ich meine Meinung geändert?
Wenn wir uns heute in unserem Land umschauen, dann ist doch überall Angst zu spüren. Es gibt große Angst vor der Zukunft – nicht nur vor der fernen Zukunft im Blick auf die Klimakatastrophe, sondern ganz konkret vor dem kommenden Winter. Alle fragen sich:
- Wird der Krieg in der Ukraine ausufern? Werden wir hineingezogen?
- Wird Putin Atomwaffen einsetzen?
- Wird die Energiekrise noch schlimmer werden?
- Werden wir die Wohnung noch heizen können?
- Wird es großflächige Stromausfälle geben?
- Werden Lebensmittel und alles andere noch teurer werden?
- Wird Corona wieder mehr um sich greifen?
Wir könnten diese Liste wahrscheinlich noch weiter fortsetzen. Angst scheint das Lebensgefühl Nummer ein zu werden. Angst ist auch ein großes Thema an Halloween. Es geht doch um Geister und Untote, um alles, was gruselt und Horror steht im Zentrum dieses Festes.
Angstlust
Trotzdem wird Halloween gefeiert. Es gibt Halloween-Partys. Menschen verkleiden sich in Horrorkostüme und sogar die Kinder gehen auf die Straße und fordern „Süßes oder Saures“. Wo bleibt da die Angst? Zumindest war es Angst vor dem Unbegreiflichen, was den Ursprung des Festes Halloween ausmacht. Psychologen haben eine Antwort auf diese Faszination von Halloween. Das Stichwort ist: Angstlust.
Ja, es gibt eine Lust an der Angst. Es gibt eine Faszination des Horrors. In einer Zeit, in der wir wieder in Europa den Horror des Krieges und der Kriegsverbrechen und des Terrors erleben, scheint das widersprüchlich. Die Psychologen aber finden das gut. Die Angst anzunehmen, ja sogar sie auszulachen und Angesichts der Angst zu feiern, das tut der Seele gut. Es ist eine Möglichkeit die Angst zu bewältigen und weiterzuleben.
Versuchen wir doch einmal, Halloween aus dieser Perspektive zu betrachten. Vielleicht können wir dann sogar mitfeiern und der eigenen Angst ins Gesicht lachen.
Angst vor Gott?
Angst ist außerdem auch ein Thema der Reformation gewesen und hängt ganz eng mit dem Reformationsfest und auch mit unserem Predigttext zusammen. Im Mittelalter beherrschte die Angst vor Gott den christlichen Glauben. Die Menschen fragten sich, wie sie vor Gott bestehen könnten; gibt es doch keinen Menschen, der alles richtig macht. Sie hatten Angst vor dem Fegefeuer und den ewigen Qualen der Hölle. Sie fürchteten sich vor Geistern, Untoten und dem Teufel – und noch mehr fürchteten sie sich vor Gott.
Der heutige Predigttext – die Seligpreisungen – stammen aus einer Rede Jesu, der Bergpredigt. Schauen wir uns doch mal an, was Jesus da predigt. Die Bergpredigt ist sozusagen das Grundgesetz des Reiches Gottes und Jesus fordert schier unglaubliche Dinge von uns:
- Nicht nur: Du sollst nicht töten, sondern sogar: Wer seinem Mitmenschen auch nur zürnt ist des Gerichts schuldig.
- Nicht nur: Du sollst keinen falschen Eid schwören, sondern sogar: ihr sollt überhaupt nicht schwören, eure Rede sei ja oder nein.
- Nicht nur: Du sollst deinen Nächsten lieben (was manchmal schon schwer genug ist), sondern sogar: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen.
So könnten wir die ganze Bergpredigt Vers für Vers durchgehen und müssten eingestehen: Wenn Gott das alles von uns fordert, dann haben wir keine Chance vor ihm zu bestehen. Das kann doch kein Mensch leisten. So dachten auch die Menschen vor 500 Jahren, als Martin Luther sich die gleiche Frage stellte: Wie kann ich vor Gott bestehen?
Grundlage des Glaubens und des Lebens
Seine Antwort war klar und eindeutig und brachte die Wende im Verständnis des christlichen Glaubens. Martin Luther machte klar: Gerechtigkeit wird uns von Gott geschenkt. Das heißt: Wir brauchen keine Angst vor Gott zu haben. Wir müssen uns den Himmel nicht erarbeiten. Gott liebt uns so sehr, dass er uns unsere Unzulänglichkeit verzeiht.
In den Predigttexten der vergangenen Sonntage war aber gerade das Verhalten, die Werke, wichtig. Vielleicht haben wir das in der evangelischen Kirche in den letzten Jahrhunderten etwas vernachlässigt und uns zu sehr auf diese große Erkenntnis Luthers verlassen. Natürlich bleiben die Forderungen Jesu aus der Bergpredigt bestehen. Manchmal wird gesagt: Jesus zeichnet hier nur ein Idealbild, was er fordert ist eigentlich gar nicht zu verwirklichen. Das sehe ich anders. Hier begegnet uns der Anspruch Gottes.
Aber natürlich wissen wir alle, dass wir dem, was Gott, was Jesus von uns will nicht immer entsprechen können. Aber auch das wusste Jesus. Deshalb hat er so viel Wert auf die Vergebung gelegt. Und deshalb fängt die Bergpredigt eben nicht mit Ansprüchen, mit Forderungen an, sondern mit einem großartigen Zuspruch: mit den Seligpreisungen. Und nur so herum wird ein Schuh daraus. Nur so herum hat auch Luther es in der Reformation gesehen.
Das erste – in der Bergpredigt und in unserem Glauben – ist: Gott nimmt uns an wie wir sind. Gott liebt uns mit all dem Problematischen und Verkehrten, das auch zu unserem Leben gehört. Und er selbst gibt uns die Kraft dazu, so zu leben, wie er es möchte.
Leben im Vertrauen
Wenn wir nur auf uns blicken, dann könnten wir manchmal mutlos werden. Die Seligpreisungen lehren uns deshalb auf Gott, auf Jesus zu blicken, der uns selbst zu Menschen seines Wohlgefallens machen will. Und wenn es nicht gelingt, so bleiben wir doch seine Söhne und Töchter, die er mit Gnade, mit unendlicher Vergebungsbereitschaft annimmt.
So kommt in den Seligpreisungen das zusammen: Alles, was Gott uns schenken will, seine ganze Liebe zu uns, und all das, was er von uns erwartet; letztlich zusammengefasst in der Liebe, die wir zu Gott und unseren Nächsten haben sollen.
Was die Seligpreisungen aber auch lehren ist, dass in einem Leben nach dem Willen Gottes nicht Trübsal vorherrscht, auch wenn von Leid und Verfolgung auch die Rede ist, sondern: Seligkeit, Glück, Freude, Friede … So können wir als Christen im Vertrauen auf Gottes Liebe fröhlich unseren Weg gehen, auch angesichts von Versagen und Leid. Deshalb können wir auch der Angst ins Gesicht lachen – wenn es auch noch so schwer fällt.
Weil wir auf Gottes Liebe vertrauen können, muss die Angst uns nicht lähmen. Weil Gott uns immer in seiner Hand hält, hat die Angst nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat immer die Liebe Gottes zu seinen Menschen.
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Links zur Predigt Reformationsfest Matthäus 5,1–10(11–12)
2018 habe ich einen etwas launischen Beitrag zum 501. Reformationsjubiläum geschrieben – ich stehe aber auch heute noch dazu: Reformationstag 2018
2021 ging es mir auf dem Blog „Korrekte Bande“ um das gleiche Thema wie heute: Unheimliche Banden
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe