Dieser Beitrag „Das Hohepriesterliche Gebet“ erscheint in der Reihe „An-ge-dacht“, in der ich täglich Gedanken zu einer Perikope des jeweiligen Sonntags schreibe. Weitere Informationen darüber und eine Übersicht aller bisher erschienenen Beiträge findest Du hier: An-ge-dacht.
Lesung IV, Palmsonntag
Johannes 17, 1–8
1 Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen: Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche;
2 so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen, auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast: das ewige Leben.
3 Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
4 Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue.
5 Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.
6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.
7 Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.
8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.
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Das Hohepriesterliche Gebet, Palmsonntag, Lesung IV, Johannes 17,1–8
Das Kapitel Johannes 17 wird im allgemeinen das Hohepriesterliche Gebet Jesu genannt. Ich habe bei den An-ge-dachten zu Texten aus dem Hebräerbrief in letzter Zeit schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es ein besonderes Thema dieses Briefes ist, Jesus als den Hohepriester darzustellen.
Hier im Johannesevangelium liegt es etwas anders. Die Bezeichnung Hohepriesterliches Gebet ist später aufgekommen und steht so nicht im Text. Es geht mehr um den Inhalt. Jesus betet für seine Jünger und alle, die an ihn glauben werden, zu Gott. Dabei geht es um zentrale „Aufgaben“, die auch ein Hohepriester in der Hebräischen Bibel zu versehen hatte: Es geht um die Vergebung von Sünden, die Verkündigung des Willens Gottes und um die Fürbitte für das Volk (bei Jesus: sein bevorstehender Tod am Kreuz, seine Botschaft von der Liebe Gottes und seine Bitte für die Jünger).
In manchen Bibeln heißt der Abschnitt auch „Abschiedsgebet Jesu“. Das weist darauf hin, dass Jesus seine Jünger, Nachfolger, auch die späteren Gläubigen, also auch uns, nicht einfach im Regen stehen lässt, nach seinem Tod am Kreuz. Es wird weitergehen und er sorgt sich um seine Nachfolger. Darum bittet er Gott, uns durch das Leben im Glauben zu begleiten, durch Not und Leid, durch Freude und Glück, bis zum Leben in Ewigkeit.
Im Johannesevangelium werden oft gegensätzliche Wortpaare verwendet. Hier Herrlichkeit und Welt. Die Herrlichkeit und Verherrlichung steht für Gottes Plan einer Welt, eines Lebens ohne Leid und Not. Ein Leben in Gemeinschaft mit seinen Geschöpfen. Könnte man vielleicht sagen, die Herrlichkeit ist ein Synonym für das ewige Leben?!
Die Welt beschreibt dagegen die Vergänglichkeit des Lebens und die so vermischten Erfahrungen, die wir Menschen hier und jetzt machen. Erfahrungen von Glück und Freude, von gelingendem Leben, von erfüllenden Erlebnissen, vermischt mit Krankheit, Not, Corona, Hoffnungslosigkeit und all dem, was das Leben so „unperfekt“ und schwer machen kann.
Dabei fällt mir ein Vers besonders auf: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ Interessant ist hier, dass das ewige Leben nicht irgendwann in der Zukunft liegt, nicht jenseits des Todes, sondern präsentisch, also in der Gegenwart ist. Im Erkennen Gottes und Jesu Christi liegt die Gemeinschaft mit ihm. Das ist das ewige Leben schon hier und jetzt und in Ewigkeit.
Prof. Dr. Adolf-Martin Ritter macht in seiner Predigt zu diesem Lesungstext über das Hohepriesterliche Gebet darauf aufmerksam, dass Johannes in seinem Evangelium immer wieder Illustrationen des ewigen Lebens im Leben hier und jetzt zeigt. Dazu gehört zum Beispiel das Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana, in dem zum Ausdruck gebracht wird, dass Gott Leben und Freude schenkt, wo es uns daran mangelt. https://www.theologie.uni-heidelberg.de/universitaetsgottesdienste/0904_wsf2017.html
Ich muss zugeben, dass mir das ewige Leben immer irgendwie abstrakt vorkam. Ja, es gehört zu unserem – auch meinem – Glauben dazu, aber was bedeutet das eigentlich? Ist es wie bei dem Münchner im Himmel? Ewiges Frohlocken? Ist es wie bei den Zeugen Jehovas eine perfekte Welt? Sind es 70 Jungfrauen? Ich habe keine Ahnung; es ist doch einfach unvorstellbar.
Wenn ich aber davon ausgehe, dass der Glaube, die Gemeinschaft mit Gott, schon hier und jetzt das ewige Leben bedeutet, dann kann ich trotz aller schwierigen Dinge im Leben, einen Vorgeschmack spüren. Die guten, beglückenden, erfüllenden, tiefen Erlebnisse mitten im Leben weisen darauf hin – zumindest in einem übertragenen Sinn.
Vor allem aber spornt mich dieser Vorgeschmack an, das Leben so zu gestalten, dass es möglichst viel davon gibt – in meinem Leben, im Leben der Menschen, die mir am Herzen liegen und im Leben aller Menschen. Ist das nicht auch das Ziel des Hohepriesterlichen Gebets? Jesus bittet Gott darum, dass wir diese Gemeinschaft erfahren.
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe
„Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ Dieser Satz ist mir in der Tat auch aufgefallen. Ich bin mir unsicher, ob der Einschub „der du allein wahrer Gott bist“ dem ursprüngllichen Text entspricht.Christus spricht doch immerhin vom speziellen Gott der Juden, der von sich gesagt hat , dass er „eifersüchtig“ sei und keiner der anderen Götter neben ihm verehrt werden solle. Demnach ist doch dem Gott der Juden geläufig, dass er in der Funktion eines Gottes keineswegs allein ist im Himmel.