Dieser Beitrag „Wie eine Mutter tröstet“ erscheint in der Reihe „An-ge-dacht“, in der ich täglich Gedanken zu einer Perikope des jeweiligen Sonntags schreibe. Weitere Informationen darüber und eine Übersicht aller bisher erschienenen Beiträge findest Du hier: An-ge-dacht.

Lesung II, Lätare

Jesaja 66, 10–14

10 Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.
11 Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust.
12 Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen.
13 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.
14 Ihr werdet’s sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des Herrn an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.

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Wie eine Mutter tröstet, Lätare, Lesung II, Jesaja 66, 10–14

Der heutige Tagestext blickt auf Jerusalem nach dem Ende des babylonischen Exils etwa um das Jahr 515 vor Christus. Das Reich Israel und das Reich Juda, die beiden jüdischen Staaten waren nacheinander erobert und vernichtet worden. Zuletzt erging es Juda sehr schlecht. Vor allem die Zerstörung Jerusalems und des Tempels und die Deportation eines großen Teils der Bevölkerung waren eine traumatische Erfahrung.

Nach etwa sieben Jahrzehnten in der Fremde, kamen viele Juden wieder zurück ins Land. Jerusalem und der Tempel wurden wieder aufgebaut, es begann neues Leben im Land. Das löste einen Überschwang der Gefühle aus, die in diesem Text gut zum Ausdruck kommt.

Dabei ist dieser Text außergewöhnlich. Das Symbol für den neuen Aufbruch, für die große Freude ist ein Baby an der Mutterbrust. Was das ausdrückt, können wir uns problemlos vorstellen. Es ist doch auch für uns heute verbunden mit: Geborgenheit, Trost, Fürsorge, Wärme. Auch das Stillen von Durst und Hunger gehört ganz praktisch dazu. So wird ein Baby nicht nur am Leben erhalten, sondern körperlich und seelisch genährt und es kann wachsen und gedeihen.

Die Liebe der Mutter gibt dem Kind alles, was es braucht. So ist Jerusalem für die Israeliten damals; wie eine Mutter tröstet. Und auch heute empfinden viele Juden so. Selbst für Christen und Muslime ist Jerusalem inzwischen eine heilige Stadt von äußerst wichtiger Bedeutung. Heute fragen wir uns vielleicht, ob die Mutter Jerusalem nicht alle drei Weltreligionen „nähren“ könnte. Warum muss es darum Streit geben? Aber das ist unter „Geschwistern“ ja wohl manchmal nicht zu vermeiden.

Es gibt eine wunderbare Verheißung in dem Text: In Jerusalem soll der Friede sein wie ein Strom und Reichtum wie ein überfließender Bach. Können wir uns nicht heute diese über 2500 Jahre alte Verheißung zu eigen machen – ohne sie dabei den Juden und ihrer Bibel wegzunehmen? Wäre das nicht eine Vision für das Zusammenleben von Religionen, Völkern und Menschen: Frieden und Reichtum in Fülle?

Mich hat an diesem Text schon immer am meisten beeindruckt, dass hier eine weibliche Seite von Gott zum Ausdruck kommt. Es wird fast im ganzen Text von Jerusalem als Mutter gesprochen, aber es gibt einen Satz, in dem in der ersten Person geredet wird: „Ich will euch trösten, wie eine Mutter tröstet.“ Hier spricht doch wohl Gott selbst: Ich will trösten, wie eine Mutter tröstet.

Das durchbricht unser ausschließlich männliches Bild von Gott. Gott ist weder Mann noch Frau, er ist ganz anders, als wir denken. Doch er offenbart sich und sein Handeln in unterschiedlicher Weise und er ist zu uns auch wie(!) eine Mutter, die tröstet. Ist das nicht wunderbar? Können wir daraus auch für uns heute den Trost Gottes, den Trost des Glaubens, deutlicher wahrnehmen?

Gott will trösten, wie eine Mutter tröstet. Das können wir uns sagen lassen in allem Leid, Krankheit und angesichts des Todes. Das können wir spüren, wenn wir uns ganz auf ihn einlassen und verlassen. In diesem Trost und in dieser Geborgenheit können wir leben. So sagt es uns der Sonntag Lätare mit allen Texten und ganz besonders hier: Freude mitten im Leid. Ein Sonntag der Freude mitten in der Passionszeit. Freude über den Trost Gottes. Das gibt Zuversicht für das persönliche Leben – auch in der Pandemie – und das gibt Hoffnung für das Zusammeleben aller Menschen und Religionen.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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