Was bleibt im Leben?
Oft wird die Frage gestellt: Was bleibt im Leben? Meistens machen wir uns diese Gedanken erst wenn wir älter werden. Manchmal denken wir auch darüber nach, wenn in unserem näheren Umkreis jemand stirbt.
So geht es mir auch gerade. Ich habe zwar als Pfarrer diese Frage oft gehört und ich habe in meinem Leben oft darüber nachgedacht. Dennoch ist die Frage meistens nicht aktuell und brennend. Heute habe ich aber erfahren, dass jemand, den ich kannte nach schwerer und schmerzvoller Erkrankung gestorben ist. Das ist für mich Anlass, nun doch einmal ein paar – etwas ungeordnete und betroffene – Gedanken aufzuschreiben.
Was werde ich dem Witwer sagen, wenn ich den Kondolenzbesuch mache? Ich bin Pfarrer, aber ich übe aus verschiedenen Gründen den Beruf nicht mehr aus. Dennoch spricht mich jeder darauf an: „Du als Pfarrer…“ Und dann kommen die schwierigen Fragen… „Du als Pfarrer, was sagst Du denn zum Tod dieses Menschen? Glaubst Du wirklich daran, dass es ein ewiges Leben bei Gott gibt?“
Was ich darüber denke
Ich bin mir nicht sicher. Ich gebe zu, dass mein Glaube nicht mehr so stark ist, wie früher. Ich kann nicht mehr im Brustton der Überzeugung sagen: „Jawoll!!!“ Ich möchte etwas vorsichtiger sein und sagen: Ich habe immer noch die Hoffnung. Ich habe die Hoffnung, dass es da jemanden gibt – nennen wir ihn Gott –, der unser „Ich“ auch im Tod in seiner Hand hält.
Für mich hat das immer zum Kern meines Glaubens gehört, dass Gott alles, was mein Leben ausmacht – Seele und Geist, Erfahrungen und Verstand, Gefühle und Handlungen, Körper und Ereignisse – aufbewahrt. Ich habe die Hoffnung, dass all das nicht verloren geht und wenn sich niemand mehr an mich erinnert, dann erinnert sich Gott doch immer noch an mich und mein einmaliges unverwechselbares Leben.
Für mich macht das einen großen Teil der Würde aus, die im christlichen Glauben jedem einzelnen Menschen zugeschrieben wird.
Wie denkst Du darüber?
Wie würdest Du diese Frage beantworten? Was bleibt für Dich von dem, was Du bisher in Deinem Leben getan hast?
- Materielles (Haus, Vermögen…)
- Leistungen (beruflich, ein Buch, soziale Errungenschaften)
- Kinder und Enkel
- Erinnerungen
- …
Menschen, die professionell andere beraten und coachen, geben oft die Aufgabe, sich einmal zu überlegen, was bei der eigenen Beerdigung über einen gesagt werden soll. Gar nicht so einfach! Versuch mal Deine eigene Beerdigungsansprache zu schreiben. Das geht an die Substanz.
Meine eigene Beerdigungsansprache
Trotzdem ist es doch interessant, mal zu überlegen, was andere von uns sagen würden. Was hat unser Leben aus der Sicht unserer Partner, Kinder, Freunde, Kollegen ausgemacht? Was bleibt von uns in der Welt übrig.
Diese Überlegungen können auch das Leben heute verändern.
- Vielleicht treffen wir andere Entscheidungen.
- Möglicherweise gehen wir liebevoller mit anderen um.
- Sicher tun wir dann weniger dummes Zeug – wie Fernsehen…
- Ganz bestimmt gehen wir achtsamer mit unserer Zeit um.
- Eventuell glauben wir auch bewusster und nicht mehr so „eingefahren“.
- …
Was bleibt mitten im Leben?
Es lohnt sich wirklich, dass Leben einmal von seinem Ende her zu betrachten. Es ist tatsächlich empfehlenswert, diesen Fragen nicht auszuweichen, so unangenehm das sein kann. Und doch möchte ich die Frage einmal etwas abwandeln. Nicht erst vom Ende her betrachten, sondern heute, mitten im Leben…
Was bleibt mitten in meinem Leben?
- Was gibt es jetzt schon in meinem Leben, das für mich von bleibendem Wert ist – oder auch für die Menschen um mich herum?
- Habe ich ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt und ein Kind/Kinder gezeugt/geboren?
- Was habe ich in meinem beruflichen Wirken geschaffen?
- Gibt es Weisheiten und Ideen, die ich in die Welt gesetzt habe?
- Worauf bin ich besonders stolz?
- An welche guten Erlebnisse erinnere ich?
- Welche schwierigen Zeiten gab es in meinem Leben?
- Habe ich etwas geschafft, das der Erinnerung wert ist?
- Gab es genügend Spaß und Freude?
- Was würde Gott dazu sagen?
- …
Lass uns mal darüber nachdenken, was mitten im Leben schon da ist und bleibt – egal, ob wir 25, 50 oder 75 Jahre alt sind. Wenn wir uns diese Frage beantworten können, dann ergibt sich vielleicht auch ein Plan für den Rest unseres Lebens. Wo stehen wir jetzt gerade und wie kann es jetzt weitergehen? Was ist uns wirklich wichtig für unser Leben?
Wenn wir diese Dinge ernst nehmen und ihnen nicht ausweichen – dem sicher kommenden Ende und dem, was bisher war –, dann könnte dieser Tag tatsächlich der erste und wichtigste Tag vom Rest unseres Lebens sein, egal, wie lange es noch dauert.
Bitte verzeih, wenn diese Gedanken etwas ungeordnet daherkommen. Ich habe zwar in meinem Beruf als Pfarrer sehr viel mit Krankheit, Sterben, Tod und Trauer zu tun gehabt, aber es trifft mich doch immer wieder tief, direkt damit konfrontiert zu werden.
Ich freue mich sehr, wenn Du Deine Gedanken dazu unten in den Kommentaren schreibst oder auch diesen Artikel in Deinen sozialen Netzen teilst. Ich finde es wirklich wichtig, darüber nachzudenken.
Ich wünsche Dir und mir einen wunderbaren Rest unseres Lebens!
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe