Das Doppelgebot der Liebe
Möglicherweise hast Du schon von dem sogenannten Doppelgebot der Liebe gehört. Normalerweise wird dies bezogen auf die Liebe zu Gott, also den Glauben, und die Liebe zu den Menschen, mit denen wir gerade zu tun haben, eben den Nächsten. Diese Regel hat Jesus selbst den Christen aufgegeben. Er hat gesagt:
Das größte Gebot ist: liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst. (Matthäus 22, 37-39)
Genau diesen Vers aus dem Matthäus-Evangelium nennen wir das „Doppelgebot der Liebe“ – Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten.
Seit 2000 Jahren ist dieser Satz der Antrieb für Christinnen und Christen, sich zu engagieren, für ihren Glauben und für die Menschen um sie herum. Das ist schon eine wirklich beeindruckende Wirkungsgeschichte eines einzigen Satzes. Ich bin der Letzte, der daran etwas auszusetzen hat!
Wo ist das Problem?
Leider kann der „Schuss aber auch nach hinten losgehen“: Immer nur für andere da sein zu wollen, ergibt häufig eine gewaltige Selbstüberforderung. Es kann über die eigene Kraft gehen, wenn man das immer wieder versucht. Sogar Krankheiten – psychisch und körperlich – können entstehen. Ich habe es selbst erlebt, als ich in ein Burnout geraten bin.
Ich sehe einen Teil des Problems darin, dass seit 2000 Jahren die letzten drei Worte des Satzes vergessen werden: Wie dich selbst! Schade, wirklich schade! Jahrhunderte, ja Jahrtausende lang wurde an diesem Vers aus der Bibel etwas ganz Zentrales, Wichtiges übersehen! Eigentlich besteht der Satz aus drei Aufgaben, auch wenn die dritte indirekt ausgedrückt ist.
- Liebe Gott!
- Liebe deinen Nächsten!
- Liebe dich selbst!
Deshalb nenne ich es das Dreifachgebot der Liebe.
Das Dreifachgebot der Liebe
Es ist also nicht nur ein doppeltes, sondern ein dreifaches Gebot der Liebe! Es geht in diesem Gebot Jesu selbstverständlich um die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten. Aber Jesus wusste offensichtlich, dass diese Liebe nicht möglich ist, wenn Du Dich selbst nicht achten, wertschätzen, lieben kannst.
Nur, wenn Dir das gelingt, nur, wenn Du Dich selbst liebst, hast Du die Kraft auch Gott und Deinen Nächsten zu lieben. „Wie dich selbst“ heißt also so viel, wie: denk doch auch mal an Dich!
Hintergrund
Für diejenigen unter meinen Lesern*innen, die es ganz genau wissen wollen: Natürlich haben die Theologen recht, die jetzt einwenden: Aber dabei geht es ja nur um einen Parallelismus. Diese Stilform gibt es auch im Alten Testament, vor allem in den Psalmen, sehr häufig. Hier ist der Vers auf folgende Weise parallel aufgebaut:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben
von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt
Du sollst deinen Nächsten lieben
wie dich selbst
Damit solle ausgedrückt werden, dass beide Gebote mit vollem Einsatz erfüllt werden sollten, so die Fachtheologen. Natürlich lasse ich mir das so sagen. Ich bin damit einverstanden. Allerdings habe ich zwei Probleme damit:
- die Parallelität stimmt nicht ganz, da die Ergänzung zum ersten Teil wiederum aus drei Teilen besteht und damit die Parallele im zweiten Teil aufgebrochen wird.
- ich kann mir nicht vorstellen, dass die „Zusätze“ inhaltlich nicht von Bedeutung sein sollen. Es bleibt doch trotz der Parallelität auch eine inhaltliche Aussage bestehen.
Ich gehe also weiterhin davon aus, dass Jesus ganz bewusst dieses „wie dich selbst“ sagen wollte!
Wenn Du Dich selbst liebst, hat das also nichts mit Narzissmus oder Egoismus zu tun! Natürlich gibt es Grenzen, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Mach Dir einfach klar:
- Wenn Du für Dich selbst sorgst, schaffst Du damit die Möglichkeit auch für andere zu sorgen.
- Wenn Du Dich selbst akzeptierst, dann kannst Du auch andere akzeptieren.
- Wenn Du Selbstvertrauen hast, dann kannst Du auch Gott und anderen Menschen vertrauen.
- Wenn Du Dich selbst wertschätzt, dann wirst Du auch andere wertschätzen können.
- Nur wenn Du Dich selbst liebst, wirst Du auf lange Sicht die Kraft haben, Gott und andere Menschen zu lieben.
Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Liebe zu Dir selbst ist deshalb nicht nur wichtig für Dich selbst, sondern auch für Dein Leben mit anderen Menschen und in Deinem Glauben!
Deshalb vergiss nicht den dritten Teil des „Doppelgebotes der Liebe“!
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe
Lieber Uwe,
ein sehr interessanter Artikel, den Du über das Doppelgebot der Liebe geschrieben hast. Ich denke, dass Jesus mit seinem Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ die göttliche Liebe, also die bedingungslose Liebe gemeint hat – also „Liebe deinen Nächsten bedingungslos, wie du auch dich selbst bedingungslos lieben kannst“. Erst als die Menschen damit begonnen haben, Bedingungen an die Liebe zu knüpfen, ist das schwierig geworden: „… du wirst nur geliebt, wenn du brav bist, fleißig bist, schön, schlank, reich, erfolgreich, leistungsfähig bist, wenn du Aufgabenerfüller bist.“ Wir versuchen tagtäglich alle Aufgaben, alle Anforderungen, die an uns gestellt werden, zu erfüllen, damit wir geliebt werden. Und darüber vergessen wir uns selbst zu lieben. Liebe dich selbst bedingungslos – also auch, wenn du dich nicht gut fühlst, nicht alle Aufgaben erfüllen kannst, denn du bist geliebt von Gott, denn du bist ein Kind Gottes. Er liebt dich bedingungslos für immer. Versuche deine Liebe ein bisschen göttlicher zu machen – sei gnädig und gütig und liebevoll mit dir selbst, dann gelingt dir das mehr und mehr auch bei deinem Nächsten.
Über die Liebe zu schreiben ist immer ein tolles Gefühl
Liebe Grüße und bis bald
Bettina
Liebe Bettina,
herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar.
Du hast natürlich völlig recht, auch wenn das mit der bedingungslosen Liebe leider sehr schwer ist. Es wäre schön, wenn es uns immer gelingen würde, uns selbst bedingungslos zu akzeptieren. Es wäre auch gut, wenn wir andere bedingungslos annehmen könnten. Leider gelingt das nicht immer – wenn überhaupt. Wie gut, dass die göttliche Liebe immer bedingungslos ist (auch wenn wir Menschen sogar das immer wieder vergessen…)
Liebe Grüße,
Uwe