Predigt Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres Hiob 14,1–6(7–12)13(14)15–17
Predigt Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres Hiob 14,1–6(7–12)13(14)15–17 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe I, Thema: Schau dem Tod ins Gesicht.
Sonn-/Feiertag: Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Perikopenreihe: I
Predigttext Hiob 14,1–6(7–12)13(14)15–17
1 Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe,
2 geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.
3 Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst.
4 Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer!
5 Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann:
6 so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.
7 Denn ein Baum hat Hoffnung, auch wenn er abgehauen ist; er kann wieder ausschlagen, und seine Schösslinge bleiben nicht aus.
8 Ob seine Wurzel in der Erde alt wird und sein Stumpf im Staub erstirbt,
9 so grünt er doch wieder vom Geruch des Wassers und treibt Zweige wie eine junge Pflanze.
10 Stirbt aber ein Mann, so ist er dahin; kommt ein Mensch um – wo ist er?
11 Wie Wasser ausläuft aus dem See, und wie ein Strom versiegt und vertrocknet,
12 so ist ein Mensch, wenn er sich niederlegt, er wird nicht wieder aufstehen; er wird nicht aufwachen, solange der Himmel bleibt, noch von seinem Schlaf erweckt werden.
13 Ach dass du mich im Totenreich verwahren und verbergen wolltest, bis dein Zorn sich legt, und mir eine Frist setzen und dann an mich denken wolltest!
14 Meinst du, einer stirbt und kann wieder leben? Alle Tage meines Dienstes wollte ich harren, bis meine Ablösung kommt.
15 Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde dich verlangen nach dem Werk deiner Hände.
16 Dann würdest du meine Schritte zählen und nicht achtgeben auf meine Sünde.
17 Du würdest meine Übertretung in ein Bündlein versiegeln und meine Schuld übertünchen.
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Predigt Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres Hiob 14,1–6(7–12)13(14)15–17
Tod und Gericht
Liebe Gemeinde!
Heute ist der vorletzte Sonntag des Kirchenjahres. Wir sind am Ende des Kirchenjahres und wir wissen: In dieser Zeit geht es um Themen, die uns nicht gefallen. Und doch müssen wir uns ihnen stellen. Es geht um Tod, Ewiges Leben und auch das göttliche Gericht. Darüber nachzudenken ist heute nicht mehr üblich. Am liebsten würden wir all die Gedanken an die Vergänglichkeit des Lebens aus unserem Alltag verdrängen. Erst recht will niemand an Fragen der Schuld und Sünde erinnert werden. Das haben wir schon lange ganz und gar aus der Gesellschaft verbannt.
Dennoch wissen wir, dass das nicht wirklich geht – und es ist auch nicht gesund. Immer wieder werden wir auf diese Themen gestoßen.
- Wenn ein geliebter Mensch stirbt.
- Wenn wir am Totensonntag an die Gräber gehen.
- Wenn ein schwerer Unfall passiert.
- Wenn Corona wieder überhand nimmt.
- Wenn der Krieg in der Ukraine auch unser Leben schwer macht.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag blickt der Realität des Todes ins Auge. Er redet über Todesangst, über Vergänglichkeit und über die Unruhe, die mit diesen Gedanken verbunden ist. Allerdings geht es bei Hiob auch um das Thema Schuld und das Gericht Gottes. Hiob weiß – oder besser gesagt, er spürt -, dass er vor Gottes Gerechtigkeit und Zorn nicht bestehen kann.
Leid und Tod ist Gesicht schauen
Der Text geht sogar noch weiter. Hiob leidet und er fühlt sich Gott nicht gewachsen. Deshalb stellt er sich nicht nur dem Tod, sondern er sehnt ihn sich geradezu herbei. Es scheint ihm der Ausweg aus Leid, Krankheit und Schuld zu sein. Und schließlich könnte der Tod ja auch das Ende des Drucks sein, der durch Gottes Gericht auf ihm lastet.
Heute ist anscheinend kein Platz mehr für so schwere Gedanken. Heute muss alles Spaß machen. Action ist gefragt. Wir bekommen Tod, Krieg und Zerstörung frei Haus ins Wohnzimmer geliefert über die Bildschirme. Da muss nicht auch noch im Alltag ständig darüber geredet werden. Selbst im Blick auf Tod und Sterben wird die Ernsthaftigkeit in Spaß umgewandelt. Siehe Halloween. Allerdings kommt dadurch die Angst vor der Vergänglichkeit doch wieder hervor. Psychologen nennen das Angstlust.
Wie sieht unser Umgang mit Tod und Vergänglichkeit aus? Wir sollten uns – gerade jetzt im November, am Ende des Kirchenjahres – einmal Zeit und auch Kraft nehmen, um darüber nachzudenken.
Der Text blickt auch der Realität des göttlichen Gerichts ins Auge: Zusätzlich zu all unserer Unruhe und Angst liegt auch noch der Blick des gerechten Richters auf uns. Hiob ist davon überzeugt: Wir müssen unser Leben, was wir tun, verantworten – nicht nur vor Menschen, sondern vor allem vor Gott. Das ist fast schon zu viel, als dass man es ertragen kann, wenn man es ernst nimmt. Und doch müssen wir als Christinnen und Christen dem standhalten.
Manchmal bleibt nur Klage und Anklage
Auch Hiob tut es und er bringt es in diesem Text als Klage, ja, als Anklage, vor Gott. Hiob hält in all seinem Leid, seiner Todesangst und dem Nachdenken über das göttliche Gericht an Gott fest – und wenn es im Moment nur in Klage und Anklage ist.
Das ist ein Punkt, an dem viele Menschen auch heute stehen, die einen lieben Menschen verloren haben oder die durch schweres Leid gehen. Es kann befreiend sein, an diesem Text zu sehen, dass wir das alles vor Gott bringen können. Gott hört sich auch unser Klagen bis hin zur wütenden Anklage an. Und es lässt Gott nicht kalt. Gerade so leidet er mit.
Das ist auch ein Hinweis für den Umgang mit Leidenden und Trauernden. Auch hier gilt es für uns das auszuhalten, mit zu klagen und mit zu leiden. Es gibt dann keine einfachen Lösungen. Tod, Vergänglichkeit, Leid, Schuld… Das sind schwierige Themen, denen wir aber nicht ausweichen können. Irgendwann und irgendwie holen sie uns in unserem Leben ein. Dann ist das Wichtigste: Nicht ausweichen, stattdessen aushalten. Keine einfachen Lösungen, stattdessen mitleiden.
Gott leidet mit
Gott leidet so sehr mit, dass er Leid und Tod selbst auf sich nimmt in Jesus Christus. Davon weiß der alttestamentliche Text noch nichts. Deshalb scheint er fast hoffnungslos – außer, dass er an der Gottesbeziehung festhält und nicht den Glauben verliert. Die Sehnsucht nach der Ruhe vor der Angst und Unruhe unseres Lebens ist aber da. Für den christlichen Glauben wird diese Sehnsucht erfüllt durch Jesus Christus. Hebräer 4,9: Es ist also noch eine Ruhe vorhanden für das Volk Gottes.
Für uns Christen heißt das:
- Wir brauchen nicht die Augen zu verschließen vor der Realität des Todes und des Gerichts.
- Wir brauchen die Hektik und Unruhe unserer Zeit, mit der man vor dieser Realität fliehen will nicht immer und überall mitzumachen.
- Wir können mit den Leidenden und Trauernden den schweren Weg mitgehen und brauchen nicht abzulenken von der Klage und der Anklage vor Gott.
- Wir können glauben und hoffen, dass gegen allen Anschein für das Volk Gottes noch eine Ruhe vorhanden ist.
- Wir warten darauf, dass durch Jesus Christus alles Leid, alle Angst, ja sogar der Tod selbst überwunden wird vom Leben.
Auch wenn Hiob im Text sich sogar ins Totenreich wünscht, um diesem Druck zu entgehen, am Ende spricht auch er die Hoffnung aus, dass Gott die Schuld vergibt, den Tod besiegt und seinen Menschen wieder in Liebe anblickt. Durch Jesus Christus wissen wir: Genau das ist das innere Wesen unseres Gottes. Sein Ziel ist nicht Tod und Verderben, nicht Gericht und Strafe, sondern Vergebung und unendliche Liebe für seine Geschöpfe.
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe