Predigt Pfingstsonntag 1. Mose 11,1–9
Predigt Pfingstsonntag 1. Mose 11,1–9 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe III, Thema: Turmbau zu Babel – Gott hat Humor. Gehalten im Gottesdienst am 23.05.2021 in Sechshelden.
Sonn-/Feiertag: Pfingstsonntag
Perikopenreihe: III
Predigttext 1. Mose 11,1–9
1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache.
2 Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst.
3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel
4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde.
5 Da fuhr der Herr hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten.
6 Und der Herr sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.
7 Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe!
8 So zerstreute sie der Herr von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen.
9 Daher heißt ihr Name Babel, weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.
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Predigt Pfingstsonntag 1. Mose 11,1–9
Der Turmbau zu Babel
Liebe Gemeinde!
Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere noch daran, dass ich in vielen Predigten gesagt habe, wir müssten mal genau hinschauen. Das muss ich heute wieder tun. Und ich muss Euch sagen, dass ich deshalb heute für die Predigt mindestens zwei Stunden brauche.
Das ist ein so bekannter Text, dass wir geneigt sind, einfach mal drüber zu lesen. Aber gerade deshalb muss man genau hinschauen und dabei fällt eine ganze Menge auf. Ich habe so viel entdeckt bei der Vorbereitung, dass ich einfach nicht weiß, wo ich anfangen und aufhören soll.
Keine Angst, ich werde mich auf ein paar Punkte konzentrieren und die Predigt auf normales Maß kürzen, aber der Text ist so spannend, dass auch zwei Stunden wohl nicht langweilig würden.
Größenwahn
Warum bauen die Menschen den Turm? Hybris, Größenwahn. Dazu kommt noch, Ungehorsam gegen Gottes Gebot des über die Welt ausbreiten, und sein wollen wie Gott. Sie wollen sich einen „Namen machen“, also geht es um Macht und Ehre und Ansehen. Es geht auch im Inneren um die Ewigkeit. Der Name soll auch in zukünftigen Generationen noch weitergetragen werden. So eine Art innerweltliches „ewiges Leben“.
Es sind also hohe Ziele, die die Menschen mit diesem Turm verbinden. Ich glaube, dass diese Motive auch heute noch ganz aktuell sind. Und das gilt nicht nur für die gewaltigen Türme, die die Menschen heute bauen. Gilt das nicht auch für viele andere Dinge, die wir tun – auch im ganz persönlichen Alltag. Ansehen, Anerkannt sein… das wollen wir doch alle gerne.
Sie wollen sich selbst einen Namen machen im Gegensatz zu Abraham in Gen 12,2, dem Gott einen Namen machen will. Ist es uns möglich, so wie Abraham darauf zu vertrauen, dass Gott unseren Namen im Gedächtnis behält und uns nicht loslässt?
Grenzen der Maßlosigkeit
Gott will dem Größenwahn, der letztlich den Menschen selbst gefährlich wird, eine Grenze setzen. Dabei geht es nicht um Gottes Eifersucht, sondern darum, die Maßlosigkeit menschlichen Handelns zu begrenzen. Wir sind nicht so einfach zufrieden zu stellen. Das ist doch auch heute noch so. Schneller, weiter, höher, mehr, Wachstum…
Wir erleben heute in vielen Zusammenhängen, dass diese Maßlosigkeit nicht gut ist. Wir sehen das in der Welt: Gerade in der Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern. Aber auch im Blick auf Umweltzerstörung und Klimawandel. Und wohin Maßlosigkeit im Blick auf Geld und Reichtum führen können, das erfahren wir immer wieder in den Nachrichten.
Ist es da nicht gut, wenn Gott mal eingreift? Ist es nicht gut, wenn uns Menschen auch mal Grenzen gesetzt werden? Gilt das nicht auch für unser persönliches Leben?
Gott schaut genau hin
In unserer Geschichte vom Turmbau zu Babel greift Gott tatsächlich ein. Interessant finde ich, das die Wendung der Geschichte dadurch geschieht, dass Gott genau hinschaut.
Gott fährt hernieder um sich die Stadt und den Turm anzuschauen. Ist das Tun der Menschen für ihn so klein, dass er genau hinschauen muss? Rückt das die Verhältnisse zurecht?
Damit wird doch auch gezeigt, wie klein die menschlichen Bemühungen im Vergleich zu Gottes Macht eigentlich sind.
Wie ist das dann mit dem Größenwahn der Menschen in der Geschichte und auch heute? Sind die gewaltigen Bauwerke der Menschheit nicht einfach nur wie Staub? Sind die Ansprüche von Diktatoren und Herrschern und Reichen nicht einfach nur lächerlich? Sollte Gott nicht heute auch – zum Wohle aller Menschen – den Größenwahn der wenigen stoppen?
Gottes Humor
Wie Gott dann eingreift, ist aber schon außergewöhnlich. Gottes Strafe ist ganz besonders. Er fährt nicht mit Blitz und Donner in das Bauwerk, er zerstört nicht und er ist nicht zornig. Manchmal wird zu der Geschichte gesagt, dass Gott eifersüchtig ist auf die Menschen, weil sie sich selbst in den Himmel heben und sein wollen wie Gott. Das ist aber nicht wahr. Die Geschichte hat eine ganz andere Wendung.
Gott ist sogar ein wenig ironisch. Das sieht man an der Parallele zwischen den Worten der Menschen und Gottes: Wohlauf, lasst uns…, dass… Ich stelle mir vor, dass Gott vielleicht sogar etwas geschmunzelt hat, als er auf ein Zerstörungswerk verzichtet und stattdessen „nur“ die Sprachen verwirrt. Das ist übrigens im Hebräischen auch ein Sprachspiel: Babel und Balel. Auch damit wird die Ironie deutlich.
Auf die Sprache achten
Mit dieser „Strafe“ erreicht Gott noch viel mehr, als den Menschen eine Grenze zu setzen. Die Zerstreuung und die unterschiedlichen Sprachen bringen natürlich auch die Ausbreitung der Menschheit und die Vielfalt der Völker mit allen positiven und negativen (Krieg, Unterdrückung…) Folgen mit sich.
Sprachen und unterschiedliche Kulturen sind doch auch faszinierend und schön. Vielfalt.
Mit Sprache lässt sich aber auch viel Unheil anrichten. Heute spüren wir das zum Beispiel in den Hate-Posts im Internet. Die Sprache wird immer roher und gewalttätiger. Auch sollten wir auf unsere Sprache achten! Keine Diskriminierung.
Die schöne Seite der Sprachverwirrung können wir aber vielleicht auch im Dialekt merken. Is doch schieh, wenn mr so birrenanner schwätze kaa.
Pfingstgeschichte
An Pfingsten klingt dieser Text natürlich mit der Pfingstgeschichte zusammen. An Pfingsten sprechen die Apostel durch den Heiligen Geist in allen Sprachen. Alle konnten sie verstehen und das Evangelium von Jesus Christus hören. Hier stellt der Heilige Geist die Einheit zeichenhaft wieder her.
Es geht also auch darum, sich wieder zu verstehen – wörtlich in der Sprache, aber auch im Sinne von Verständnis. Darauf läuft das Heilshandeln Gottes hinaus. Die Einheit der Menschheit untereinander und mit Gott ist das letztliche Ziel.
Liebe Gemeinde, Ihr seht, wie viele Themen in diesem Text enthalten sind. Es ist auch kein Zufall, dass diese Geschichte über die Sprachverwirrung sprachlich im Urtext künstlerisch gestaltet ist. Da ist kein Wort zufällig – um das genauer zu erläutern, bräuchte ich tatsächlich zwei Stunden.
Begnügen wir uns aber für heute mit diesen Fragen:
- Wo stehen wir in der Gefahr, maßlos zu handeln?
- Wie können wir es schaffen, genauso wie Gott, genau hinzuschauen und nicht an der Oberfläche zu bleiben?
- Können wir – wie Gott – mit Humor auf Dinge reagieren, die uns ärgern, statt mit Zorn?
- Sprechen wir so, dass es keinen verletzt und dem Verständnis dient?
- Geben wir dem Geist Gottes Raum, unsere Vielfalt als gut und fröhlich zu sehen und in der Vielfalt zusammenzustehen?
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe