Predigt Estomihi Markus 8,31-38
Predigt Estomihi Markus 8,31-38 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe IV, Thema: Wie gehen wir mit Leid um?
Sonn-/Feiertag: Estomihi
Perikopenreihe: IV
Predigttext Markus 8,31-38
31 Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.
32 Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren.
33 Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.
34 Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
35 Denn wer sein Leben behalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s behalten.
36 Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?
37 Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
38 Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.
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Predigt Estomihi Markus 8,31-38
Wie gehen wir mit Leid um?
Liebe Gemeinde!
Das ist doch mal eine erstaunliche Sache: Petrus will mit Jesus unter vier Augen sprechen. Er will ein ernstes Wort mit ihm reden. Petrus kann beim besten Willen nicht begreifen, was Jesus gerade gesagt hat. Jesus, der von sich selbst als Menschensohn redet, bereitet seine Jünger darauf vor, dass er leiden und sterben wird. Petrus will ihm die Sache mit dem Leiden ausreden: „Leiden? – Das widerfahre dir nur nicht.“
Petrus hat wohl das Gefühl, dass dann alles, was er bisher mit Jesus erlebt hat, nicht mehr gilt. Dann wäre alles vorbei. Jesus darf nicht leiden, erst recht darf er nicht sterben. Er soll doch der König von Israel werden und die Römer verjagen und endlich alles wieder gut machen. Es kann doch jetzt nicht plötzlich alles anders kommen und alles vorbei sein.
Petrus will das Leid abwehren. Von Leid will er nichts wissen. Wie geht es uns damit? Wie gehen wir mit Leid um?
Natürlich würden wir am liebsten auch nichts davon wissen. Und doch gibt es diesen Gegensatz in unserem Leben. Auf der einen Seite möchten wir bloß nie leiden müssen. Deshalb sagen wir so oft: Gesundheit ist die Hauptsache! Wir wollen doch immer nur glücklich sein und es soll uns und unseren Lieben gut gehen.
Aber andererseits machen wir die Erfahrung, dass es doch immer wieder durch schwere Zeiten im Leben geht. Wir leiden nicht nur, wenn wir krank sind. Wir leiden auch an schwierigen Erfahrungen – dem Ende einer Partnerschaft, dem Verlust der Arbeitsstelle, unter finanziellen Problemen, bis hin zum Tod eines lieben Menschen. Es gibt wohl kein einziges Leben, das nicht irgendwann – mal mehr, mal weniger – Leid erlebt.
Wie gehen wir mit dem Leid um?
Kann Jesus überhaupt leiden?
Mir begegnen immer wieder besonders gläubige Menschen, die über Jesus nur aus der Sicht seiner Gottheit sprechen. Jesus ist der König, der Herrscher, Gottes Sohn, Jesus ist Gott selbst. Sie haben große Probleme damit über Jesus menschlich zu sprechen. Hatte Jesus Hunger oder Durst? Hatte er menschliche Bedürfnisse?
Wenn wir so über Jesus reden, als ob er ein auf Erden wandelnder Gott wäre, dann kann er natürlich auch nicht leiden. Gott hat doch keine menschlichen Empfindungen. Also kann er nicht leiden. Aber die Bibel sagt: er hatte keine Gestalt noch Schönheit, war der allerverachtetste, voller Schmerzen und Krankheit, zerschlagen und gemartert.
Wer das Leiden und die Niedrigkeit, die Menschlichkeit Jesu unterschlagen will, der geht nicht nur an dem Willen Gottes vorbei, denn Gott kommt uns eben darin nahe, dass er auch in unsere tiefste Tiefe kommt, sondern, der der das Leiden Jesu nicht berücksichtigt, der hat auch ein verkehrtes Menschenbild!
Leid gehört zum menschlichen Leben. Deshalb kommt Gott in Jesus auch in das Leid! Auch im Leid will er an unserer Seite sein. (Es gibt Menschen, die diesen Satz als „frommen Bullshit“ bezeichnen, aber für mich ist es einer der zentralsten Sätze unseres Glauben!)
Das Kreuz auf sich nehmen
Es gefällt uns vielleicht nicht, wenn Jesus davon redet, dass wir „unser Kreuz“ auf uns nehmen müssen. Leiden, Opfer, sein eigenes Kreuz und auch das anderer auf sich zu nehmen, dass gehört aber zum Leben. Wer das leugnen will, der geht am Leben vorbei.
Denken wir kurz über das Stichwort Krankheit nach. Gesundheit als höchstes Gut, das geht nicht, das geht schief. Das weiß im tiefsten Herzen jeder und jede von uns, aber wollen wir es auch wahr haben? Und dann machen wir die Politiker verantwortlich für unsere Gesundheit oder klagen Ärzte an, weil sie doch keine Götter in weiß sind. Absolute Gesundheit gibt es aber nicht. Und in der Begleitung Kranker führt das dazu, dass sie gar nicht ernst genommen werden. „Das geschehe dir nur nicht.“ Wie gut, wenn Angehörige dem Leid und der Krankheit ins Auge sehen und dafür sorgen, dass ihr Kranker ernst genommen wird und – wenn es denn sein muss – auch in Würde und Ruhe sterben kann.
Oder denken wir an Verbrechen, Terror und Krieg. Auch das ist Leiden und wir tun natürlich alles, um Leiden zu vermeiden. Aber kann das erkauft werden mit dem Leiden anderer? Gerade in den letzten Monaten und Jahren erleben wir, wie sich dieses Leiden gegenseitig hochschaukelt. Wer leidet mehr? Israelis oder Palästinenser? Ist das Leid der einen aufzurechnen mit dem Leid der anderen? Wie kann das Leid der Ukrainer von Putin gerechtfertigt werden?
Kann man das Leid einer Familie, die Opfer eines Verbrechens, wird damit lindern, dass man einen Menschen foltert? Was sind die Folgen? Was geschieht, wenn die Folter einen Unschuldigen trifft? Sind die „Kollateralschäden“ hinzunehmen? Warum hat denn der Gouverneur eines Bundesstaates in Amerika alle zum Tode Verurteilten begnadigt?
Leid und Würde
Welche Folgen hat es für die Menschlichkeit, wenn wir dem Leiden nicht ins Auge schauen? Es ist, als sei das Gute im Gegenteil verkehrt. Es geht auch nicht darum, welches Leid größer ist. Das eigene Leid ist jedem Menschen das nächste. Da nützt es auch nichts, wenn andere mehr leiden. Leid auf sich zu nehmen, lernen, damit umzugehen, und auch das Leid anderer anzuerkennen – das bewahrt die Würde.
Die Erfahrung – nicht der Verstand – zeigt, welche Kräfte aus angenommenen Leid folgen. Das heißt nicht, das Leid zu suchen, so wie im Mittelalter manche Christen. Aber das Leid, das unausweichlich auf uns zu kommt, das müssen wir annehmen, dann wachsen uns Gottes Kräfte zu.
Wer schon einmal erlebt hat, wie ein Sterbenskranker, der sein Leid angenommen hat, die Angehörigen und Freunde tröstet, der hat eine Ahnung davon, was angenommenes Leid bewirken kann. Wenn wir wissen, dass unser Leben zu Ende geht und früher oder später, mehr oder weniger Leid und Krankheit auf uns zukommen wird, der schaut dieser Tatsache besser offen ins Auge. Dann können wir auch anderen beistehen und sie in ihrem Leid ernst nehmen und begleiten.
Dann wissen wir auch, dass Gott uns in Freud und Leid begleitet. Dann kann Leid auch überwunden werden – nicht vermieden, aber überwunden. So wie Gott Jesus auch nicht im Leiden gelassen hat, sondern den Sieg über Folter und Tod in der Auferstehung geschenkt hat. Das macht Hoffnung auch für uns und auch für Menschen, die auf verkehrten Wegen gehen, auch für Menschen, die krank sind, auch für die Menschen in den Krisenregionen unserer Welt.
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe