Predigt Erntedanktag 2. Korinther 9,6-15

Predigt Erntedanktag 2. Korinther 9,6-15 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe III, Thema: Die Lust am Leben. Gehalten im Gottesdienst am 01.10.2016 in Drommershausen.

Sonn-/Feiertag: Erntedanktag

Perikopenreihe: III

Predigttext 2. Korinther 9,6-15

6 Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.
7 Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.
8 Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk;
9 wie geschrieben steht (Psalm 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.«
10 Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.
11 So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Lauterkeit, die durch uns wirkt Danksagung an Gott.
12 Denn der Dienst dieser Sammlung füllt nicht allein aus, woran es den Heiligen mangelt, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken.
13 Um dieses treuen Dienstes willen preisen sie Gott für euren Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und für die Lauterkeit eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen.
14 Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch.
15 Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

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Predigt Erntedanktag 2. Korinther 9,6-15

Liebe Gemeinde!

Seltsamer Predigttext

Darf ich Sie mal etwas mitnehmen in die Predigtwerkstatt eines Pfarrers?

Als ich den Text gelesen habe, habe ich gedacht: Ist das nicht ein furchtbarer Predigttext? Also, ich habe erst mal gedacht, das ist ganz schön durcheinander. Was will dieser Paulus eigentlich?

Das einzige, was bei mir hängen geblieben ist, ist der Satz „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ Und dieser Satz ist mir ziemlich negativ in Erinnerung. Ich kenne ihn von früher, wo es immer zur Kollekte im Gottesdienst hieß: „Lasst es knistern, nicht klingeln – einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“

Soviel ist immerhin schon mal klar: Dieser Text ist ein Spendenaufruf. Paulus betreibt Spendenmarketing. Aber mal ehrlich, warum muss er das sozusagen von hinten durch die Brust ist Auge sagen?

Ich wollte schon den Text weglegen und einen anderen Predigttext aussuchen, der weniger beschwerlich ist. Aber ich habe mich nochmal hingesetzt und den Text wiederholt gelesen. Und noch einmal und immer wieder.

Auf einmal ist mir etwas aufgefallen.

Ja, es gibt dieses Durcheinander der Gedanken. Es gibt Worte wie „kärglich“, „Unwillen“ und „Zwang“, die irgendwie eine negative Aura verbreiten. Aber es gibt auch eine ganze Menge anderer Worte:

„Fröhlich, lieb, reichlich, voll, gut, mehren, wachsen, reich, Früchte ernten, danken, überschwänglich…“

Wow, das hört sich doch ganz anders an. Das klingt positiv und vielversprechend.

Wie kommt es, dass so viele wunderschöne Worte in diesem seltsamen Predigttext stehen? Vielleicht ist das eigentliche Thema des Textes ja gar nicht das Geld, die Spenden, die Kirchensteuer…

Vielleicht ist das eigentliche Thema des Textes ja die Lust am Leben.

Lust am Leben – wie das?

Es geht wohl gar nicht zuerst darum, dass wir zum Geben aufgefordert werden, und dann auch noch befohlen wird, dabei fröhlich zu sein. Das geht ja auch gar nicht.

Der eigentliche fröhliche Geber ist doch wohl eher Gott. Diese schönen Worte stehen für den großen Überfluss, den Gott uns geben will. Wir können uns darauf verlassen, dass Gott reichlich gibt. Dadurch erst wird der Text auch ein echter Predigttext für Erntedank.

Ich glaube sogar, dass es praktisch in allen zentralen Texten der Bibel genau darum geht: Gott ist ein Liebhaber des Lebens. Er will, dass wir Lust am Leben haben, dass es uns gut geht.

Natürlich weiß die Bibel, genauso wie auch Paulus, darum, dass das nicht immer so einfach ist. Es gibt so viel in unserem Leben, das uns die Lust am Leben vermiesen kann. Dafür stehen die Worte „kärglich“, „Unwillen“ und „Zwang“. So manches in unserem Leben saugt uns die Kraft aus, wie ein Vampir. So manches ist ungerecht, schwer und geht über die Kraft.

Die Rose von Jericho

Manchmal fühlen wir uns ausgelaugt und leer, wie vertrocknet.

Ein Gleichnis dafür ist für mich die Rose von Jericho, die vertrocknet in der Wüste liegt, manchmal jahrelang. Sobald ein wenig Wasser kommt, blüht sie auf. Es gibt Berichte, dass sogar jahrzehntealte vertrocknete Rosen von Jericho wieder geblüht haben.

(Auf dem Altar Wasser zur Rose von Jericho geben, am Ende des Gottesdienstes zeigen, dass sie aufgegangen und grün geworden ist.)

Erntedank erinnert uns daran, dass es auch diese andere Seite gibt. Es gibt nicht nur Schweres, sondern auch das, was uns die Lust am Leben geben kann. Sozusagen das Wasser, das uns zum Blühen bringen kann:

  • Liebe – dass es Menschen gibt, die uns lieben.
  • Friede – auch mit uns selbst und mit anderen Menschen.
  • Zufriedenheit – „das Glas ist halb voll“, auch wenn es manches gibt, was es leer machen will.
  • Dankbarkeit – es lohnt sich darüber nachzudenken, wofür ich dankbar sein kann.
  • Freude – wenn uns Freude begegnet, lasst uns sie wahrnehmen, auch beim Feiern – wenn wir Gottesdienst feiern, aber auch zum Beispiel morgen beim Oktoberfest hier im Ort.
  • Früchte – auch das ist nicht immer offensichtlich, aber meist kommt etwas zurück von dem, was wir der Welt, den Menschen um uns geben, im Beruf, in der Familie, bei Freunden.
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​Segen ist die Lust am Leben

Schließlich ist mir ein Teil des ersten Satzes des Predigttextes ganz besonders aufgefallen: „Wer sät im Segen, der wird im Segen ernten“. All diese wunderschönen guten Worte sind doch Bestandteile des Segens. Könnte man zusammenfassend sagen: Der Segen Gottes für uns ist die Lust am Leben?

Ja, ganz sicher – auch wenn das nicht immer spürbar ist, aber lasst uns daran festhalten in Glauben und Hoffnung.

Nicht aufgeben, nicht auf Scherben stehenbleiben. Gott wird seinen Segen ausschütten über uns, das ist es was er will, das wirkliche Leben, die Fülle mitten in unserem Alltag, den Segen für all unser Arbeiten und Schaffen und Mühen.

Letztlich die Lust am Leben.

So kann das Erntedankfest auch ein wirkliches Fest des Dankes sein, für all das, was unser Leben so reich macht, trotz alledem und alledem.

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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