Predigt 2. Sonntag im Advent Jesaja 35,3-10
Predigt 2. Sonntag im Advent Jesaja 35,3-10 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe I, Thema: Zuversicht trotz Krisen.
Sonn-/Feiertag: 2. Sonntag im Advent
Perikopenreihe: I
Predigttext Jesaja 35,3–10
3 Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie!
4 Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.«
5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden.
6 Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.
7 Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen.
8 Und es wird dort eine Bahn sein und ein Weg, der der heilige Weg heißen wird. Kein Unreiner darf ihn betreten; nur sie werden auf ihm gehen; auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren.
9 Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen; sie sind dort nicht zu finden, sondern die Erlösten werden dort gehen.
10 Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.
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Predigt 2. Sonntag im Advent Jesaja 35,3-10
Negativ und Positiv
Liebe Gemeinde!
Der heutige Predigttext ist ein „zweigeteilter“ Text. Die einen sagen: wie schrecklich: Gott übt Rache und das was an Gutem gesagt wird, das ist doch sowieso unrealistisch, reine Vertröstung. Man kann Worte auf der schwierigen – oder realistischen – Seite heraussuchen:
- Wüste und Einöde und Steppe
- müde Hände und wankenden Knie
- verzagte Herzen
- Gott kommt zur Rache
- Blinde, Taube, Lahme unf Stumme
- dürre und trocken
- Schakale
- Unreine
- Toren
- umherirren
- Löwe und reißendes Tier
- Schmerz und Seufzen
Was für eine beeindruckende Aufzählung negativer oder problematischer Wörter, die alle in diesem Text enthalten sind. Schrecklich – oder?
Andere sagen: Das ist doch mal ein schöner Text, der Hoffnung macht. Gott ist da, er wird alles gut machen. Suchen wir also auch mal die positiven und schönen Wörter aus dem Predigttext:
- frohlocken
- jubeln
- blühen
- Lust und Freude
- Herrlichkeit
- Pracht
- stärken
- getröstet
- Fürchtet euch nicht!
- helfen
- jauchzen
- ewige Freude und Wonne
Auch das ist eine beeindruckende Sammlung. Seltsam, wie eng beieinander hier diese negativen und positiven Dinge liegen. Unter dem Strich werden wohl die meisten Menschen, die diesen Text hören, den Eindruck haben, dass es letztlich um etwas Gutes geht.
Dass dieser Text in der Adventszeit überhaupt auf uns wirken kann, das liegt wohl daran, dass er Hoffnung macht, ohne die schwierigen Seiten zu verschweigen. Er ist ein Adventstext, weil er darum weiß, dass Gott kommen wird. Er ist gekommen zu seinem Volk Israel – davon redet der Text. Er ist gekommen in seinem Sohn. Er will auch zu uns kommen.
Behalten wir die schwierige Seite im Hinterkopf – sie ist uns im Alltag sowieso oft genug sehr bewusst – schauen wir heute in diesem Gottesdienst aber mal mehr auf die andere Seite:
Verbesserung der Zustände
Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott!
Was in diesem Text als Bild der Zukunft gemalt wird, ist nicht nur die Verbesserung der Zustände, die in unserer Welt vorherrschen. Verbesserungen, die wir durch menschliche Anstrengung erreichen können:
- Angesichts der Umweltzerstörung: Mehr Umweltschutz, Ökosteuer, Verringerung der Abgase…
- Angesichts der Energiekrise: Mehr weniger Verbrauch, mehr erneuerbare Energien…
- Angesichts von Krankheiten und Behinderungen: Bessere medizinische Versorgung und vermehrte Forschung…
- Angesichts von Schwierigkeiten in der Kirche: mehr Bemühen um Spenden, mehr Werbung, mehr Engagement…
- Angesichts von Leid und Einsamkeit: mehr Rücksicht, sich kümmern um andere, vielleicht ein Besuchsdienstkreis, allgemein mehr Nächstenliebe…
All das ist sicher nicht verkehrt und die Hoffnung, die unser Predigttext uns vermitteln will, kann dazu führen, dass all das mit größerer Kraft und Zuversicht angepackt wird. Aber damit wird die Wüste noch nicht zu einer blühenden Landschaft und Blinde nicht sehend und Lahme können noch lange nicht gehen. Der Text entwirft nicht nur ein Bild von der Verbesserung der Zustände, sondern ein Gegenbild.
Dagegen Gottes Zukunft
Wenn es nur um eine Verbesserung ginge, die mit menschlichen Mitteln erreicht werden könnte, dann kann dies auch unheimlich Druck machen. Dann müssen wir uns nur mehr anstrengen, dann funktioniert es auch schon. Aber der Text will genau das Gegenteil: Der Druck soll von uns genommen werden. Gott ist auf dem Plan, er wird es bewirken. Das schöne Gegenbild der Zukunft wird nicht erreicht durch unsere Anstrengung, sondern durch Gott selbst.
Das ist Advent und Weihnachten: Wir können – wenn wir nur wollen – mal einen Schritt langsamer tun, es mal mit der Stille versuchen, mit dem Warten auf Weihnachten, auf Gott selbst.
Entschleunigung
Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott!
Wie leicht lenkt die Hektik dieser Zeit davon ab. Und alle sind am Stöhnen. Ich selbst auch. Dieser Text hat mich selbst dazu gebracht einmal innezuhalten. Schaue ich auf die Wirklichkeit, dann muss es heißen: Da fehlt noch etwas: zum Beispiel Geld für die neue Orgel in der Kirche und andere Projekte unserer Gemeinde, Mitarbeiter für dieses oder jenes Vorhaben. Es könnte noch diese oder jene Veranstaltung gemacht werden, es könnte noch mehr Besuche geben, es könnten mehr Menschen in den Gottesdienst kommen… Wo soll man bloß anfangen?
Vielleicht merkt Ihr, liebe Gemeinde, wie ein solches Denken lähmen kann. Das gleiche kann man durchbuchstabieren auch für den Alltag in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Politik…
Im Blick auf die Arbeit in unserer Gemeinde hat mir dieser Text gezeigt:
Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott!
Das Gegenbild der Zukunft
Ja, Gott ist hier, heute morgen mitten unter uns. Er kommt an Weihnachten auch nach (hier die Namen der Orte der Gemeinde nennen). Gott hat unsere Gemeinde und jeden Menschen, der dazu gehört, uns alle in seiner Hand. Das Gegenbild, das hier entworfen wird könnte so heißen:
Die Christen werden sich freuen, und unsere Gemeinde wird jubeln und sie wird blühen wie die Lilien. Sie wird blühen und jubeln in aller Lust und Freude. An Weihnachten sehen wir die Herrlichkeit des HERRN, die Pracht unsres Gottes. Stärket die müden Hände der Mitarbeiter und macht fest die wankenden Knie! Saget den verzagten Herzen der Kranken, Trauernden und Einsamen: „Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er wird euch helfen.“
Dann werden die Zweifler Vertrauen fassen und die Kritiker mithelfen, es besser zu machen. Dann werden die Menschen fröhlich zum Gottesdienst kommen, und die Gemeinde wird mit Liedern frohlocken. Denn das Wort Gottes wird die Herzen erfüllen. Und wo zuvor Streit war, soll Friede herrschen, und wo Menschen aneinander vorbeigelebt haben, soll Liebe sein. Und wir werden gemeinsam unterwegs sein auf dem heiligen Weg, den Gott uns zeigen wird. Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.
Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott!
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe