Predigt Invokavit 1. Mose 3,1-19(20-24)

Predigt Invokavit 1. Mose 3,1-19(20-24) von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe II, Thema: Sehnsucht. Gehalten im Gottesdienst am 2023-02-26 in Liebenscheid und Neukirch.

Sonn-/Feiertag: Invokavit

Perikopenreihe: II

Predigttext 1. Mose 3,1-19(20-24)

1 Und die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?
2 Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;
3 aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!
4 Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben,
5 sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
6 Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß.
7 Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
8 Und sie hörten Gott den Herrn, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des Herrn zwischen den Bäumen im Garten.
9 Und Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?
10 Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.
11 Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?
12 Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß.
13 Da sprach Gott der Herr zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich, sodass ich aß.
14 Da sprach Gott der Herr zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Staub fressen dein Leben lang.
15 Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.
16 Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein.
17 Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang.
18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen.
19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.

20 Und Adam nannte seine Frau Eva; denn sie wurde die Mutter aller, die da leben.
21 Und Gott der Herr machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.
22 Und Gott der Herr sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und nehme auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!
23 Da wies ihn Gott der Herr aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war.
24 Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.

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Predigt Invokavit 1. Mose 3,1-19(20-24)

Der Sündenfall als Sehnsuchtsgeschichte

Liebe Gemeinde!
Der heutige Predigttext ist wohl einer der bekanntesten überhaupt und er ist auch einer der folgenreichsten Bibeltexte, die es gibt. Über viele Jahrhunderte hat die Kirche daraus den Schluss gezogen, dass Frauen minderwertig und im Grunde gefährlich sind. Schwangerschaft galt als unreiner Vorgang. Dass Arbeit Mühe und Leid bringt, wurde zur Grundlage für die Unterdrückung der einfachen, armen Menschen – im Neuen Testament noch die Tagelöhner, im Mittelalter die Bauern und in der Neuzeit die Fabrikarbeiter.

Ein Schlüsselwort in diesem Text ist „Sünde“. Überschrieben wird er im Allgemeinen mit „Sündenfall“ – obwohl das Wort Sünde gar nicht vorkommt. Auch daraus wurden theologische Konzepte gewonnen, die bis heute wirksam sind: die Erbsündenlehre, der Tod als Lohn der Sünde…

Es ist ein sehr vielschichtiger Text und es macht wohl Sinn, einmal etwas genauer hinzuschauen. Allein seine Bekanntheit lässt uns leicht darüber hinweglesen. Und die Tatsache, dass dieser Text wie kein anderer für das Thema Sünde steht, aber dieses Wort gar nicht vorkommt, sollte uns aufmerksam machen. Ich möchte in dieser Predigt aber keine theologische Abhandlung halten, deshalb konzentriere ich mich auf ein Wort, mit dem wir vielleicht neue Aspekte in der Geschichte entdecken können.

Dieses Wort heißt: „Sehnsucht“ – auch wenn es ebenfalls nicht wörtlich vorkommt.

Sehnsucht nach Freiheit

Wie komme ich bei diesem Text ausgerechnet auf das Wort Sehnsucht? Stellen wir uns doch mal die Frage, warum Adam und Eva so „verführbar“ waren. Schauen wir mal nicht auf die Konsequenzen und auf das Negative, sondern auf das, was wir vielleicht dabei nachvollziehen können.

Ist es nicht etwas erstrebenswertes, zu wissen, was Gut und Böse ist? Steht diese Unterscheidung nicht auch dafür, erwachsen zu werden? Das ist doch durchaus nachvollziehbar. Bei Adam und Eva steckt hinter der Versuchung die Sehnsucht danach, selbständig zu sein, erwachsen zu werden, frei zu sein und eigene Entscheidungen zu treffen. Mir scheint der Text an dieser Stelle, wie eine Beschreibung pubertierender Jugendlicher, die sich gegen die Macht der Eltern empören. Das mag nicht immer gut sein und es mag auch Konsequenzen haben, aber verstehen können wir doch diese Sehnsucht.

Das eigentlich Problematische im Predigttext ist, dass die Menschen sein wollen wie Gott. Als Gläubige wissen wir, dass es gerade darum geht, Gott anzuerkennen und uns im nicht gleichzusetzen, aber ist nicht nahezu alles menschliche Streben ein Ausdruck davon – ich drücke es mal anders aus: -, nach Höherem zu streben? Menschliche Kulturleistungen, Wissenschaft und Technik, der Griff nach den Sternen und die Landung auf dem Mond, Entwicklung in Kunst, Musik, Literatur, Philosophie; schnelle, höher, weiter. All das ist, positiv gesagt, eine Folge der Sehnsucht des Menschen nach Höherem.

Frei sein, den eigenen Weg gehen, etwas erreichen, das ist die Sehnsucht aller Menschen, aber die Freiheit ist auch verbunden mit Problemen und Schwierigkeiten. Das sehen wir in unserem Bibeltext: Es gibt Probleme in der Beziehung zwischen Menschen. Adam und Eva, Mann und Frau, schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Immer weiter in der Weltgeschichte – siehe Kain und Abel – finden wir überall die Folgen gestörter Beziehungen; bis hin zu Kriegen zwischen Staaten.

Auch im Blick auf die Beziehung zu Gott hat die Freiheit, die Adam und Eva erstrebten, eine problematische Seite. Hier passt am ehesten das Wort Sünde. Bei Sünde geht es nämlich nicht um moralische Verfehlungen, sondern um eine gestörte Beziehung zu Gott. Durch den Fehltritt von Adam und Eva wir Vertrauen zerstört und es folgen Scham und Mühe und Arbeit und Schmerzen.

Diese Folgen der Sehnsucht nach Freiheit können wir nennen: Verlorenes Paradies. Doch ist die Geschichte damit eben noch nicht zuende!

Sehnsucht nach dem Paradies

Durch diesen Verlust des Paradieses bleibt auch die Sehnsucht danach. Wie erlangen wir das verlorene Paradies zurück? Sein wollen wie Gott – ist das nur die Ursünde des Menschen? Liegt darin nicht auch eine – vielleicht verquere – Sehnsucht nach Gott?

In all dem Streben des Menschen nach Erkenntnis, Wissen, schneller, höher, weiter, erfülltes Leben; liegt darin nicht auch eine verborgene Sehnsucht nach Gott? Vielleicht ist Religion, Glaube viel tiefer in uns Menschen verwurzelt, als uns klar ist. Ist das nicht auch die Ursehnsucht: Die Sehnsucht nach Gott?

In dieser Sehnsucht nach dem Paradies liegt das Streben nach Gesundheit und Heil im körperlichen, aber auch im übertragenen Sinn. Die Suche nach dem Sinn des Lebens, nach Glück und Erfüllung. Vielen von uns fallen dabei sicher auch eine Menge Bibeltexte ein. Gerade die Bibel kennt diese Sehnsucht. Die Sehnsucht danach, dass alles gut wird, dass es kein Leid, keine Schmerzen, kein Geschrei mehr geben wird.

Ist das nicht im Grunde die Sehnsucht nach einer guten, gelingende Beziehungen zwischen den Menschen und zu Gott.

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Sehnsucht nach Gott

In der Predigttextordung unserer Kirche, sind die Verse 20-24 als optional markiert. Ich hatte bei der Vorbereitung dieses Gottesdienstes überlegt, ob ich diese Verse weglasse, weil der Text ja sowieso schon so lang ist. Doch dann ist mir etwas aufgefallen. Die Geschichte vom sogenannten Sündenfall wäre nicht vollständig ohne diese Schlussverse.

In den Versen 14-19 spricht Gott sein Urteil – über die Schlange, über Eva und über Adam. Sollte die Geschichte damit zuende sein? Hoffnungslos? Nur mit Mühe, Arbeit und Schmerzen? Nein! Es folgt noch, das Gott den ersten Schritt auf Adam und Eva zu macht. Die eigentlich angedrohte Todesstrafe bleibt aus, Gott ist gnädig. Er sperrt zwar die Menschen aus dem Paradies aus, aber rüstet sie aus für ihr weiteres Leben – er selbst versorgt sie mit Kleidung. Eva wird die „Mutter aller Menschen“ – damit wird ein hoffnungsvoller Blick weit in die Zukunft geworfen. Und schließlich nimmt Gott den Menschen die Fähigkeit zur Unterscheidung von Gut und Böse, das Streben nach Wissen und Erkenntnis, nicht mehr weg.

In dem Urteil über die Schlange steckt auch noch ein weiterer Hinweis, den die Christen von Anfang an dort gesehen haben. „Er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.“ Diesen Satz deuteten Christen aller Zeiten auf Jesus und seinen Sieg am Kreuz über den Tod. So heilt Gott die Beziehung zu seinen Menschen in Jesus Christus.

So stellt Gott selbst das Vertrauen wieder her. Und so bleiben auch die Sehnsucht und die Hoffnung, dass es gelingende Beziehungen auch unter uns Menschen geben kann, dass Leid gelindert, Krankheit geheilt, Leben gut und sinnvoll werden kann und wir auch im Tod nicht ins Nichts gehen sondern in Gottes liebevolle Hände.

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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