Prokrastinieren – wie wunderbar

Disclaimer: Dies ist kein grundsätzlicher Artikel über das Prokrastinieren. Dieser Beitrag verneint nicht die Dringlichkeit der Erledigung wichtiger Aufgaben. Hier geht es ausschließlich darum, das schlechte Gewissen etwas zu mildern. Zu Risiken und Nebenwirkungen der Aufschieberitis fragen Sie bitte Ihren Therapeuten oder Apotheker.

Hast Du schon mal dieses wunderbare Wort „prokrastinieren“ gehört? Ich finde das toll. Es ist der Fachbegriff für etwas, was wir wohl alle zur Genüge kennen: Aufschieben. Manche haben das Wort auch eingedeutscht: Prokrastination ist gleich Aufschieberitis.

Der Standard-Spruch dafür ist: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Das ist so ein seltsamer „Glaubenssatz“ (Lies gerne mal meinen Artikel über Glaubenssätze).

Wenn ich mich so in psychologischen Fachbüchern, im Internet oder in Selbsthilfebüchern umschaue, dann geht es fast immer darum, wie schrecklich prokrastinieren ist. Es gibt unendlich viele ach so großartige Tipps, um endlich mit dem Aufschieben aufzuhören – oder das Aufschieben aufzuschieben.

Mehr als einmal habe ich gelesen, dass kein Mensch erfolgreich sein kann, wenn er prokrastiniert. Oh weh, dann ist es wohl um mich geschehen. Ich habe keine Chance mehr, jemals erfolgreich zu sein. Ich prokrastiniere nämlich gerne. Wie geht es Dir damit?

Ich liebe aufschieben

Ja, Du hast richtig gelesen! Ich liebe es zu prokrastinieren. Lange Zeit habe ich mich dafür geschämt, aber ich habe eine Menge Gründe gefunden, warum Aufschieben gar nicht so schlecht ist, wie sein Ruf! Hier meine Ergebnisse:

1. Manches erledigt sich von selbst

Reden wir nicht darum herum: Es ist einfach eine Tatsache, dass sich viele Dinge, die heute noch so unglaublich dringend erscheinen, morgen einfach von selbst erledigt haben. Okay, das trifft nicht auf Rechnungen zu, aber sicher auf 99% aller Nachrichten, die mich über soziale Medien erreichen. Selbst die Facebook-Timeline hat sich schon nach wenigen Minuten ganz von selbst erledigt.

2. Neue Ideen finden sich

Es gibt Dinge, die brauchen einfach einige Zeit zum „Reifen“. Mir geht das immer mit meinen Beiträgen für diesen Blog so oder früher mit Predigten. Manchmal braucht gerade die Kreativität einige Zeit, um richtig zur Geltung zu kommen. Vielleicht finden sich morgen neue Ideen. Morgen erscheint ein Problem möglicherweise sogar in einem anderen Licht und es gibt eine bessere Lösung.

3. Einiges klappt sowieso nicht

„Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt“, sagt schon der Volksmund. Auch Bertolt Brecht wusste davon: „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan Geh‘n tun sie beide nicht.“
Es mag schon sein, dass Zeitplanung und Projektmanagement, also gute Planung hilfreich sein können, aber ist es nicht eine banale Erfahrung, dass es meistens doch anders kommt? Das gilt nicht nur für Bahnhöfe in Stuttgart oder Flughäfen in Berlin, das gilt auch für meine kleinen alltäglichen Planungen.

4. Aktives Prokrastinieren

Oft wird behauptet, wer aufschiebt wäre faul. Das ist aber ganz und gar nicht so. Wenn ich eine Arbeit aufschiebe, dann verfalle ich meist in Aktivitäten: Wohnung aufräumen, für meinen nächsten Artikel recherchieren, telefonieren… Dabei wird dann schon eine ganze Menge erledigt – nur eben nicht das, was eigentlich dran wäre. Doch Faulheit ist was anderes. Diesen Gedanken habe ich hier gefunden.

5. Ultimativer Adrenalinschub

Manche gehen irgendwelchen völlig abgedrehten Sportarten nach oder suchen abenteuerliche Erlebnisse um ihren Adrenalinschub zu bekommen. Viel einfacher und ungefährlicher ist es doch, einfach eine Deadline zu ignorieren, wunderbar zu prokrastinieren und dann im letzten Moment zu merken: Oh, Schei…, das muss ja gaaaanz dringend erledigt werden. Das gibt den ultimativen Adrenalinschub. (Diesen Tipp habe ich hier gefunden.)

6. Achte mal auf Dich selbst

Es kommt auch schon mal vor, dass Du einfach nicht die Kraft hast, das zu erledigen, was heute eigentlich dran wäre. Eine schwere Krankheit erinnert uns unweigerlich daran. Aber auch wenn die Kraft einfach nachlässt, dann könntest Du mal daran denken, dass vielleicht alles zu viel war in letzter Zeit. Dann sorge doch auch einmal – zumindest im Rahmen des Möglichen – für Dich selbst… Und schiebe einfach mal auf…

7. Muße – ein tolles altes Wort

Mal in den Tag hineinleben (na gut, zumindest am freien Tag…), das ist doch auch ein großer Wert für sich! Müssen wir eigentlich immer aktiv sein. Geht in unserer Zeit nicht schon viel zu viel nur nach Leistung und Produktivität? Es ist gut für einen Menschen und wohl auch für unsere Gesellschaft, wenn es immer wieder auch mal den Müßiggang gibt. Dafür lohnt es sich zu prokrastinieren.

Jetzt mal im Ernst

Ich komme noch mal auf den Disclaimer vom Anfang zurück: Versteh mich nicht falsch! Ich bin überzeugt, dass gute Planung, Aktivität und Fleiß keine schlechten Dinge sind. Im Normalfall ist es sehr gut und hilfreich, die anstehenden Aufgaben zügig zu erledigen. Trotzdem bin ich genauso davon überzeugt, dass die andere Seite dieser „Leistungs-Medaille“ ist, sich auch mal Ruhe zu gönnen, hin und wieder alle Fünfe gerade sein zu lassen und einfach mal zu prokrastinieren.

Ich freue mich riesig, wenn Du in den Kommentaren Deine Meinung schreibst! Am Besten jetzt gleich, bevor Du noch auf die Idee kommst, das aufzuschieben und es schließlich ganz sein lässt… :-).

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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