Predigt 2. Sonntag im Advent Jesaja 63,15-64,3

Predigt 2. Sonntag im Advent Jesaja 63,15-64,3 von Pfr. Uwe Hermann, Perikopenreihe IV, Thema: Verzweifelt glauben. Gehalten im Gottesdienst am 2. Sonntag im Advent 2017.

Sonn-/Feiertag: 2. Sonntag im Advent

Perikopenreihe: IV

Predigttext Jesaja 63,15-64,3

63,15 So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich.
16 Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht. Du, Herr, bist unser Vater; »Unser Erlöser«, das ist von alters her dein Name.
17 Warum lässt du uns, Herr, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten? Kehr zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbe sind!
18 Kurze Zeit haben sie dein heiliges Volk vertrieben, unsre Widersacher haben dein Heiligtum zertreten.
19 Wir sind geworden wie solche, über die du niemals herrschtest, wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde.
Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen,
64,1 wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht, dass dein Name kundwürde unter deinen Feinden und die Völker vor dir zittern müssten,
2 wenn du Furchtbares tust, das wir nicht erwarten, und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen!
3 Auch hat man es von alters her nicht vernommen. Kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren.

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Predigt 2. Sonntag im Advent Jesaja 63,15-64,3

Fragen über Fragen

Liebe Gemeinde!

Irgendwie ist doch alles falsch in diesem Text! Mir stellen sich hier tausend Fragen und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr Fragen tauchen auf.

Ist Gott wirklich weit weg im Himmel? Ist Gott tatsächlich ein unbarmherziger Rächer? Soll Gott wirklich dreinschlagen?

Wie ist das mit Israel und seinen Feinden? Hier im Text, aber auch gerade heute am Ende des Jahres 2017… Gerade jetzt, wo Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat, werden solche Texte aus der hebräischen Bibel wieder sehr aktuell. Jetzt droht Intifada von der einen Seite und triumphales Jubeln auf der anderen Seite… Wo soll das enden?

Wie ist das jetzt mit uns Christen? Haben wir nicht eine andere Vorstellung von Gott?

Ist für uns das „Alte Testament“ abgehakt? Ist das alles so einfach? Stellen wir uns heute gegen Israel? Oder bleiben wir bedingungslos auf der Seite unserer „Mutterreligion“?

Fast das Schlimmste für mich ist, dass dies alles als Gebet formuliert wird. Darf ein Gebet Gott darum bitten, den eigenen Feinden Furchtbares anzutun? Wie sollen wir das auf die aktuelle politische Situation im Nahen Osten anwenden? Was kann uns ein solcher Text für unsere persönliche Situation im Alltag sagen?

Sind der nervige Kollege, die unfreundlichen Nachbarn diejenigen, denen Gott endlich mal seine Macht zeigen soll?

Grundsätzlich bleibt für mich auch die Frage, wie wir überhaupt beten sollen…

Fragen über Fragen…

Gott? Beten?

Zuerst zum Gebet: Dies ist ein Klagepsalm, aus einer Zeit, in der Israel aus einer katastrophalen Situation kam, nur um wieder in eine prekäre Situation hineinzugeraten. Es ist ein Klagepsalm! So wird es für mich zumindest verständlich. Menschen können soweit kommen, dass sie in einer ausweglosen Situation nicht mehr nach anderen fragen, nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll und sich schlicht eine „einfache, göttliche Lösung“ wünschen. Soweit verständlich.

Aber doch wohl nicht richtig… Oder?

Wenn wir danach fragen, wie ein solches Gebet zu verstehen ist und darüber hinaus, wie wir beten können, dann geht es auch um Gott und wie wir uns Gott vorstellen. Ja, ich weiß, alle Vorstellungen, die wir uns von Gott machen können, sind vorläufig und sicher nicht absolut und schon gar nicht real… Gott ist – wenn er wirklich Gott ist – immer anders, als alle menschlichen Vorstellungen.

Am Anfang habe ich viele Fragen gestellt. Vielleicht ist das der grundsätzlich bessere Zugang zu diesen Themen und zu Gott. Fragen und Suchen sind wohl die einzigen Möglichkeiten, die wir haben, um Gott zu beschreiben. Als Christen halten wir uns dabei an das, was Jesus Christus uns über Gott gesagt und gezeigt hat, aber einfache Antworten gibt es auch dadurch nicht.

Trotz alledem und alledem…

Ich möchte gerne versuchen, das verzweifelte Gebet mit den Fragen nach Gott in Verbindung zu bringen. Ich frage mich deshalb, ob ich in schwierigen Situationen an Gott festhalten kann. Geht das überhaupt? Kann ich das, trotz alledem und alledem? Ich frage mich dann auch, ob Gott nicht ganz anders ist.

Sorry, aber mir geht es zurzeit auch so, dass ich keine eindeutigen und klaren Aussagen dazu habe. Ich bin selbst auf der Suche. Doch möchte ich gerne auf diesem Weg bleiben. Ich möchte weiter fragen und suchen. Vielleicht gehst Du diesen vorsichtigen und fragenden Weg mit mir?

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Verzweifelt glauben!

Jetzt kurz vor Weihnachten frage ich zum Beispiel, was die Geschichte von dem Kind in der Krippe uns über Gott sagen kann. Was heißt diese Weihnachtsgeschichte für mich?

Ich denke schon, dass es eine Aussage über Gott ist – „Gott ist auf der Seite der Schwachen“ usw. Solche Aussagen kennen wir alle. Ich frage mich aber auch, was das bringt? Wo erfahre ich denn diesen Gott der Schwachen? Wo erlebe ich denn Gott in meinem Alltag? Wo sehe ich denn Gottes Eingreifen in der Welt?

Vielleicht ist die Weihnachtsgeschichte aber auch eine Aussage über uns Menschen – Christsein heißt, auf der Seite der Schwachen zu sein. Macht das Sinn? Zumindest ist das spürbar und erlebbar. Wenn Menschen sich für andere einsetzten, wenn wir füreinander da sind, wenn wir Frieden stiften – unter Nachbarn und Kollegen, in der Familie und mit Menschen, die einfach anders, fremd sind.

Diese Seite des Glaubens wird auch spürbar, wenn ich mich traue, auch selbst einmal schwach zu sein. Dieser schwache Glaube kann mir den Mut geben, die Hoffnung nicht aufzugeben. Damit meine ich nicht die Hoffnung auf eine paradiesische Lösung im Himmel oder ein mächtiges göttliches Eingreifen auf der Erde, sondern die konkrete alltägliche Arbeit an einem besseren Leben, an freundlichem Zusammenleben mit meinen Mitmenschen, an einer Lösung für gesellschaftliche und politische Probleme, schlicht – an einer besseren Welt.

Wo ist Gott dabei? Ich weiß es nicht! Ich kann nicht mit dem Finger auf ihn zeigen. Aber vielleicht ist er gerade in diesen Gedanken. Vielleicht erreicht ihn auch das ein oder andere verzweifelte oder hoffnungsvolle Gebet, und vielleicht spüren wir auch in einem einzigartigen wunderbaren Moment, dass er wirklich da ist – auf der Seite der Schwachen und Verzweifelten.

Darum lass uns verzweifelt glauben – trotz alledem und alledem!

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Lechajim – für das Leben!
Liebe Grüße und bleib von Gott behütet!
Uwe

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